MISSION weltweit – Ausgaben 2015

Mission weltweit 7–8/2015 5 JApAn dARuM GEHT’s Für die kleine Japanerin hatte der groß gewach- sene, leichtherzige junge Mann eine unwider- stehliche Anziehungskraft. Als sich der Krieg seinem Ende näherte, war Noriko schwanger. Sie erfuhr zu ihrem Entsetzen, dass John still- schweigend in seine Heimat zurückgekehrt war. Für Noriko brach eine Welt zusammen. Ihre Familie würde ein unehelich geborenes „Misch- lingskind“ niemals annehmen. Für sie selbst würde es eine Heirat mit einem Japaner un- möglich machen. Was als wunderbare Romanze begonnen hatte, wurde zu einem Alptraum. Ähnliches erlebten viele junge Japanerinnen während des Zweiten Weltkriegs und der an- schließenden amerikanischen Besatzungszeit. Damals wurden schätzungsweise 10 000 japa- nisch-amerikanische Kinder geboren; viele star- ben wegen mangelnder Versorgung. Miki, eine japanische Samariterin Von all dieser Not hatte Miki (1901–1980), die junge Erbin des Mitsubishi-Imperiums, kei- ne Ahnung. Ihre Familie gehörte zu einer der reichsten Japans, sie war mit dem Diplomaten Sawada verheiratet und kannte keine Sorgen. Doch Gott griff in ihr Leben ein. Während einer Krankheitszeit in Amerika wurde sie von einer gläubigen Krankenschwester gepflegt, die ihr die Geschichte vom barmherzigen Samariter vorlas und erklärte. Miki nahm den christlichen Glauben an und ließ sich taufen. Ein weiteres, aber schockierendes Erlebnis ver- änderte ebenfalls ihr Leben: Zurück in Japan fuhr sie einmal mit der Bahn. Plötzlich fiel aus dem Gepäcknetz ein Bündel heraus, in Zei- tungspapier eingewickelt. Beim näheren Hinse- hen entdeckte Miki ein totes „Mischlingsbaby“. Miki Sawada traf eine Entscheidung, die ihr Leben total umkrempeln sollte: Sie gründete in der kleinen Stadt Oiso das erste Waisenhaus für solche Kinder in Japan. Immer mehr Kinder wurden dort abgegeben, sodass es bald um die 1000 waren. Miki setzte ihr ganzes Erbe für das Haus ein, das „St. Stephan“ (japanisch „Stepano gakuen“) genannt wurde. Heute ist das Haus gegenüber des Bahnhofs von Oiso kein Waisenhaus mehr, sondern eine Schu- le mit Internat für sozial schwache Kinder und Jugendliche. Nicht alle Lehrer sind Christen, aber das Haus wird nach christlichen Maßstä- ben geführt. Kentaro, ein sensibler Jesus-Nachfolger Kentaro* war ein sehr sensibler Junge. Seine El- tern hatten ihn in St. Stephan eingeschult, weil die Klassen dort kleiner sind. Kentaro besuchte unsere Kinderstunde und liebte besonders das Singen. Ich machte ihm einmal ein kleines Heft mit seinen Lieblingsliedern. Eines Tages wurde bei einer Schuluntersuchung Leukämie festgestellt. Ein langer Krankenhaus- aufenthalt mit Chemotherapie schloss sich an. Wir besuchten Kentaro öfter und beteten mit ihm. Ein Buch mit Bibelversen, Liedern und Ge- beten lag immer neben seinem Bett. Im Januar starb er mit 14 Jahren – im Glauben an Jesus Christus. Obwohl seine Eltern Buddhisten sind, baten sie Pastor Ito von der Gemeinde Oiso um eine christliche Trauerfeier. Mehr als 200 Trau- ergäste, darunter viele Lehrer und Schüler von St. Stephan, nahmen daran teil. So wirkt der Glaube der reichen Erbin Miki Sawada noch heute in unserer Stadt. Wir beten, dass auch der Glaube von Kentaro sich auswirkt auf seine Familie und alle, die ihn gekannt haben. Schwester Christa Ulmer ● Schwester Christa Ulmer beendet im Juli 2015 ihre mehr als 30-jährige Missionsarbeit in Japan. Zuletzt arbeitete sie in der Gemeinde in oiso, einer Hafenstadt an der ostküste, mit einem japanischen pastor und einer koreanischen Ge- meindediakonin zusammen. nach ihrer beruflichen Tätigkeit in einer firma und einer sozi- alen Einrichtung besuchte sie die bibelschule und trat in die schwesternschaft der Lieben- zeller Mission ein. 1994/1995 arbeitete schwester Christa im büro der schwesternschaft mit. Erbin mit Herz für noriko war das Leben nicht leicht. der krieg zog sich in die Länge, das Essen war knapp, im Haus ihrer Eltern und Geschwister war sie nur geduldet. doch es gab eine stille Hoffnung in norikos Herzen: sie traf sich ab und zu mit John, einem amerikanischen soldaten. * Name geändert Mithelfen: spendencode 1340-32 Japan Ein dankbarer Schützling besucht nach Jahren die freigiebige Mitsubishi-Erbin Das Autorenfoto zeigt Schwester Christa neben der Gedenktafel für Miki Sawada, Ehrenbürgerin von Oiso. Verwaiste japanisch- amerikanische Kinder in St. Stephan Fotos: archiv von st. stephan, s. christa ulmer

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