MISSION weltweit – Ausgaben 2015

22 weiterdenken >> gastbeitrag von michael stahl maligen Schwergewichtsboxer Muhammed Ali beschützen durf- te. Viele andere Aufträge folgten – für berühmte, aber auch nicht berühmte Menschen und Veranstaltungen. Ich war inzwischen verheiratet und wir hatten einen Sohn. Ma- nuel sollte anders aufwachsen als ich und ich nahm mir vor, nie die Fehler zu machen, die mein Vater gemacht hatte. Ich machte dafür andere … 15 Jahre lang war ich als Personenschützer tätig. Statt mit Manuel Abenteuer zu erleben, war ich mit vielen Welt- stars „on Tour“. Er bekam Autogramme von Stars. Ich dachte: „Hat mein Sohn ein Glück!“ Doch dem war nicht so. Er hätte Zeit mit seinem ganz persönlichen Star gebraucht. Mit seinem Vater. Väter sind die ersten Helden ihrer Söhne. Gemeinsame Zeit hatten wir kaum. Die Ehe zwischen seiner Mutter und mir zerbrach. Im Laufe der Jahre hatte sich mein Sohn von mir abgewandt und auch die Beziehung zu meinem eigenen Vater war distanziert. Nach Jahrzehnten versöhnt leben Doch dann träumte ich, dass mein Vater stirbt. Die nicht ausgesprochenen Gedanken und Gefühle ließen mir keine Ruhe. Ich besuchte ihn und sagte: „Mein ganzes Leben lang habe ich mich für dich geschämt und wollte dich verän- dern. Doch eines habe ich gelernt: Ich kann nur einen Menschen ändern, nämlich mich selbst. Selbst wenn du tausend Fehler ge- macht hast und ich nur einen, dann bitte ich dich, vergib mir diesen einen Fehler.“ Er kam zu mir her, nahm mich in die Arme und machte das, wo- nach ich mich vor 30 Jahren gesehnt hatte. Er drückte mich an sich und flüsterte mir ins Ohr: „Ich hab’ dich lieb.“ Ich musste mich ändern, bevor er sich ändern konnte. Wie oft wünschen wir uns oder beharren darauf, dass sich andere Men- schen ändern. Erst als ich Demut lernte, Stolz und Eitelkeit aus dem Weg räumte und Gott darum bat, mich auf meinem schwe- ren Gang zu begleiten, da wurde alles neu. Doch kurz darauf kam wieder ein Schlag. Mein Sohn wollte sich das Leben nehmen, weil er keinen Sinn mehr in seinem Leben sah. Für mich brach eine Welt zusammen. Mir wurde bewusst, welche Wunden ich ihm zugefügt hatte. Mit Gottes Hilfe kam mein Sohn aus der Depression heraus, er wurde durch Jesus neu geboren und heute verstehen wir uns sehr gut. Mein Vater starb inzwischen, aber im Frieden mit Gott. Obwohl sein Tod tiefe Wunden bei mir hinterließ, blicke ich doch mit Freude und Erfüllung auf die letzten Jahre mit ihm zurück. Wie kann man vergeben? Vor einigen Jahren heiratete ich wieder und wir haben eine süße Tochter bekommen. Kurz nach dem Tod meines Vaters hatte meine Frau Sandra einen fürchterlichen Autounfall. Ihre gute Freundin starb, sie selbst wurde schwer verletzt, aber unsere kleine Tochter und der Sohn der Freundin kamen mit leichte- ren Verletzungen davon. Die seelischen Verletzungen waren viel schwerwiegender. Unser Glaube wurde in dieser Zeit sehr auf die Probe gestellt, doch schließlich konnten wir dem Unfallverursa- cher vergeben. Manche fragen sich, wie so etwas möglich ist. Wie kann man vergeben? Was heißt vergeben? Es bedeutet, dass ich meine Schuld nicht selber tragen muss. Für meine Schuld, für meine Fehler, für meine Sünden hat schon jemand bezahlt. Des- halb muss ich das nicht selbst tragen – man kann das auch nicht. Das konnte nur einer und der trug sie für alle mit, Jesus! In Römer 3, 22-25 steht (zitiert aus „Neues Leben. Die Bibel“): Warum nehmen Gewalt und Mobbing, speziell auch bei Kindern und Jugendlichen, immer mehr zu? Kinder und Jugendliche brauchen Vorbilder. Men- schen, die ihnen vermitteln, wie man ein richtiger Mann, eine richtige Frau wird. Das haben immer mehr Kinder nicht. Manche Eltern kämpfen selbst mit ihrer Identität, weil ihnen ihre Eltern das auch nicht vermit- teln konnten. Kinder können heute nicht mehr richtig Kinder sein, weil die Erwachsenen ihrer Verantwor- tung nicht mehr nachkommen können oder wollen. Wir leben in einer Zeit, in der viele Kinderzimmer mit PC, Tablet, Fernseher und elektronischen Spielen bes- tens ausgerüstet sind, aber Vater und Mutter können nicht mehr liebevoll miteinander umgehen. Familien sind zerstritten, es fehlt an Vergebungsbereitschaft und es herrscht Verbitterung. Eltern fragen ihre Kin- der nicht mehr: „Wann gehen wir klettern, fischen, campen, wann bauen wir ein Baumhaus?“ Danach sehnen sich aber sehr viele Kinder! Ein Durchschnitts- vater nimmt sich heute täglich drei Minuten Zeit für sein Kind. Dieses hat mit zehn Jahren schon 1000 TV- Morde gesehen. Nicht empfehlenswerte Zeichentrick- Filme werden schon morgens vor Kindergarten oder Schule konsumiert. Ein Jugendlicher sitzt täglich stun- denlang vor einer kalten, emotionslosen Kiste, die ihn in fremde Welten entführt und angreifbar macht für kriminelle Machenschaften. Jungen und Mädchen ver- lernen, miteinander umzugeben, sie chatten und kom- munizieren via Smartphone. Sie schauen sich nicht mehr in die Augen, können auch nicht mehr gesund streiten. In Kindergärten und Schulen gibt es nur we- Michael Stahl (44) war Bodyguard beim Papstbesuch 2006 und für prominente Persönlichkeiten wie Muhammed Ali. Der Fachlehrer für Selbstverteidigung arbeitet als Gewaltpräventionsberater, u. a. in TV-Sendungen, an Schulen, in Heimen, Gefängnissen, Kindergärten, Gemeinden, Internaten, Firmen usw. Er ist Mitbegründer der bundesweiten Kampagne „Wahre Helden – Stars gegen Gewalt“ und wurde 2009 mit dem „WERTE AWARD“ ausgezeichnet. Michael Stahl ist verhei- ratet und hat zwei Kinder. Mehr: www.security-stahl.de Ich nahm mir vor, nie die Fehler zu machen, die mein Vater gemacht hatte. Ich machte dafür andere. Fragen an Michael Stahl

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