MISSION weltweit – Ausgaben 2015
DArum GEHT’S JApAn 10 Erst wenige Wochen zuvor hatte sich die Farb- palette in meinem Kleiderschrank von blau- grün-braun-violett nach grau-blau-schwarz verschoben. Ich konnte nicht wissen, welche Erfahrungen auf mich warten würden, als ich mich dafür entschied, auch äußerlich mit Schwesternkleid und Haube für jedermann sichtbar zu machen, dass ich den Lebensweg ei- ner Diakonisse gewählt habe. Ein weiterer spannender Moment in diesen Mo- naten war ein Bewerbungsgespräch. Welche Re- aktionen konnte ich in einem säkularen Betrieb erwarten? Als Familienpflegerin würde ich täg- lich in verschiedensten Familien unterwegs sein. Meine eventuellen neuen Arbeitgeber mussten abschätzen, wie die Reaktionen von Eltern sein würden, die ihre Kinder in meine Obhut geben. Erfahrungswerte gab es auf keiner Seite. Nach einer kurzen Bedenkzeit nahm ich erfreut die Nachricht in Empfang, dass ich die Arbeits- stelle antreten durfte und das Experiment „Fa- milienpflege in Schwesterntracht“ starten konn- te. Ich stimmte der Bedingung zu, eventuell meine Kleidung wieder umzustellen, falls nega- tive Erfahrungen überwiegen würden. Das war ganz in meinem Sinn, denn ich möchte Men- schen den Blick auf Jesus erleichtern und nicht hinderlich oder abschreckend im Weg stehen. Überwiegend positive reaktionen Im Rückblick haben weder meine Vorgesetz- ten noch ich selbst unseren Versuch bereut. Ich habe viele gute Erfahrungen gemacht und nur ganz selten bin ich Menschen begegnet, die sich schwer taten, so konkret mit dem christlichen Glauben konfrontiert zu werden. Nie habe ich Anfeindungen erlebt oder böse Kommentare ge- hört. Nach meinen Erfahrungen erzeugt Tracht und Haube in Deutschland – auch dann, wenn sie von jungen Frauen getragen werden – noch immer einen gewissen Respekt vor Gottes Hei- ligkeit. Im Familienalltag beobachtete ich ab und an schmunzelnd, dass man sich in meiner Anwesenheit auf die Zunge biss und die Wort- wahl in Stresssituationen anders ausfiel, als dies gewöhnlich der Fall war. Wahrscheinlich können nur wenige Passanten in einer Fußgängerzone genau definieren, ob ich evangelisch oder katholisch bin. Aber dass in meinem arbeitsalltag als Familienpflegerin habe ich immer wieder die erfahrung gemacht, dass mir meine Schwes- terntracht einen gewis- sen Vertrauensvorschuss gegeben hat. Cool in Tracht An einem lauen Sommerabend schlenderte ich mit Freunden durch eine hessische innenstadt, als ein punkrocker neben uns stehen blieb und mich von kopf bis Fuß musterte. Dann sagte er bewundernd: „Cool!“ Schwester Naemi im Einsatz als Familien- pflegerin
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