MISSION weltweit – Ausgaben 2015

22 Wir müssen uns nicht allen Ängsten hingeben Angst ist oftmals wie ein bellender Hund. Je mehr wir versu­ chen, vor ihr wegzurennen, umso verbissener folgt sie uns. Wenn wir uns dem, was uns erschreckt, mutig entgegenstellen, macht Angst vielfach halt. Will sagen: Wir müssen uns nicht allen Ängs­ ten hingeben. Es gibt allerdings welche, die organische Ursachen haben, De- pressionsängste etc. Ich bin da kein Fachmann. Aber ich weiß, dass es Ängste gibt, die man nicht in sich hineinlassen darf. Ih­ nen soll man widerstehen. Die muss man anschreien und weg­ jagen. Wir begegnen Ängsten am besten dadurch, dass wir sie wahrnehmen und beim Namen nennen. Können Sie Ihre Ängste schon beim Namen nennen? Das ist wichtig, wenn Sie sie besie- gen wollen. Bedrückendes und Bedrängendes aussprechen Ein anderes: Bleiben Sie mit Ihren Ängsten nicht allein! Wenn ich über meine Ängste sprechen kann, verlieren sie oft schon einen Teil ihrer Macht. Das Schlimmste ist, mit der Angst allein zu bleiben. Der Mut, sich einem anderen Menschen zu offenbaren, wird belohnt. Zu mir kommen gelegentlich Leute zum Gespräch. Sie sagen, was sie bedrückt, wovor sie Angst haben. Manchmal ist ihr Problem so schwer und kompliziert, dass ich keine Lösung weiß. Ich sehe mich außerstande zu helfen. Wenn die Ratsuchenden dann ge­ hen, sagen sie oft: „Danke, Sie haben mir sehr geholfen!” Ich hatte ihnen gar nicht geholfen. Sie hatten nur jemanden, dem sie etwas sagen konnten und fühlen sich dadurch erleichtert. Solche Gelegenheiten sollten wir viel mehr nutzen. Dinge, die uns bedrücken und bedrängen, sollten wir aussprechen. Bringen Sie Ihre verborgenen Ängste ans Licht. Damit brechen Sie die „magischen” Kräfte, die Ängsten manchmal eigen sind. Sprechen Sie viel und oft mit jemandem darüber. Wenn umgekehrt jemand mit Ihnen mehrmals über seine Ängste spricht, sagen Sie nie: „Du wiederholst dich. Das hast du mir schon dreimal gesagt.” Lassen Sie es so lange wiederholen, bis er oder sie es nicht mehr sagen muss. Durch Darüber­ Sprechen, durch Verbalisieren, wie Psychologen es ausdrücken, wird Angst in der Regel abgebaut. Von Kindern lernen Lasst uns von Kindern lernen! Wir sind ähnlich dran, wie das Kind, von dem ich eingangs schrieb. Es war, durch einen bösen Traum geschüttelt, aus dem Schlaf erwacht und hatte Angst. Was aber tut das Kind?¹ Es schreit nach der Mutter (oder nach dem Vater). Sie tritt ans Bett, nimmt ihr Kind, legt beide Arme um das zittern- de Geschöpf und sagt: „Ich bin da. Ich bin bei dir. Jetzt ist alles gut.” Ein paar Schluchzer noch, ein paar Tränen, und die Ge- spenster der Angst müssen weichen. „Ich bin da”, sagt die Mutter, „jetzt ist alles gut.” Wenn ein Kind das hört, gibt es sich zufrieden und wird still. Sein Vertrauen ist wieder gewonnen. Es ist ruhig und überlässt sich dem Schlaf. Die Mutter war doch da, hatte ge- sagt, es ist alles gut. Das lässt das Kind wahr sein: Es ist alles gut. „Ich bin da!” Der Name Gottes hat eine sehr eigene Bedeutung. Auf Hebräisch heißt er „Jahwe”. Das lässt sich übersetzen mit: „Ich bin da!”² Wenn überall auf der Welt Mütter ihren Kindern Nacht für Nacht zuflüstern: „Ich bin da!”, dann flüstern sie ihnen unbewusst den Gottesnamen ins Ohr. In jeder Nacht flüstert es auf allen Kon- tinenten, in allen Sprachen: „Ich bin da! Ich bin da!” So muss selbst die Mutter, die Gott nicht kennt, ihrem Kind in der Fins­ ternis mit dem Namen Gottes Frieden bringen. Gottes Name gilt auch uns Erwachsenen: „Ich bin immer da. Ob es in deinem Leben drunter und drüber geht, ich bin da! Ob du an mich glaubst oder nicht, ich bin da! Ob du an mich denkst oder nicht, ich bin da! Wenn du wach bist, ich bin da! Wenn du schläfst, ich bin da! Tust du Gutes – ich bin da! Tust du Schlechtes – ich bin da! ” Der Sozialwissenschaftler Peter L. Berger sagt unter Berufung auf die Kinderpsychologie, dass der Zuspruch der Mutter nicht einfach eines unter vielen anderen Wörtern sei. Das „Ich bin da, es ist alles gut” sei das Wort, das eine Lebensgrundlage für uns Menschen legt. Die Zuwendung, die in dem Satz gipfelt: „Es ist alles gut”, ist für den Prozess, Person zu werden, notwendig. Das Kind kann ohne solche Zusagen kein seelisch gesunder Mensch werden. Das Erlebnis der Geborgenheit bewirkt ein Grundvertrauen, das ein Kind überhaupt erst lebensfähig macht. Die Rolle, die Eltern durch solche Worte im Leben ihrer Kinder einnehmen, sei die Rolle von Hohepriestern . Wir können die Worte der Mutter (oder des Vaters) in eine kos­ mische Aussage übersetzen: Vertraue dem Sein! Im Mittelpunkt der Menschwerdung steht ein Erlebnis des Vertrauens in die Ord- nung der Wirklichkeit. „Es ist alles gut. Ich bin da!” Das ist nicht Instinkt allein, der die Mutter so etwas sagen lässt. Ihr Wort vermittelt Wahrheit, die das Leben ermöglicht. Hier ist keine Lüge aus Liebe. Hier winkt WEITERDEnKEn >> GAStBeitrAG Von Dr. kLAUS eickHoFF ¹ Zum Folgenden siehe: Peter L. Berger, Auf den Spuren der Engel, Herder, Freiburg, 2001 ² In 2. Mose 3,14 hat Mose eine Gottesbegegnung. Mose, zum Volk Israel gesandt, fragt Gott nach seinem Namen. Da antwortet Gott: „Ich bin der ‚Ich-bin-da’.” Und er fährt fort: „So sollst du zu den Israeliten sagen: Der ‚Ich-bin-da’ hat mich zu euch gesandt.” Gott heißt im Hebräischen Jahwe. „Jahwe” ist eine Zeitwortform in der dritten Person Einzahl, etwa „Er ist da”. Weil hier Gott von sich selbst in der ersten Person redet, gebraucht er das Zeitwort in der IchForm: „Ich bin da.” angst begleitet uns wie eine ständige hintergrundmusik, die einmal leiser ist und dann wieder lauter. Sie gehört zu unserem dasein. „Ich bin da, jetzt ist alles gut.” Wenn ein Kind diese Worte der Mutter oder des Vaters hört, gibt es sich zufrieden und wird still. Sein Vertrauen ist wieder gewonnen … FoTo: iSTockPhoTo.coM/chriSToPhEr FuTchEr

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