MISSION weltweit – Ausgaben 2016

20 WEITErDEnKEn >> GAStbeitrAG Von Volker GÄCkle Es war ein entscheidender Attraktivitätsfaktor der frühchristlichen Gemeinden, dass grundsätzlich jede und jeder eingeladen war, unabhängig von seinem/ihrem sozialen Status, von seiner ethnischen Herkunft und Abstammung. So konnte man zum Beispiel in Korinth sowohl dem reichen Gajus, der Gastgeber für die ganze Gemeinde war und diese auch verköstigte, und dem vornehmen Erastus, Finanzminister von Korinth, begegnen (vgl. Römer 16,23), als auch einer Reihe von Sklaven mit ihren sehr eingeschränkten Lebensmöglichkeiten. Aber auch jenseits ihrer Herkunft fanden sich in den frühen Gemeinden Menschen, die in unterschiedlicher Weise schwach waren. 1. „Jedem, wie er’s braucht“ – die Taktlosen, die kleinen Seelen und die Schwachen in Thessalonich Im 1. Thessalonicherbrief gibt Paulus im 5. Kapitel eineReihevonverschiedenenethischenAnweisungen und darunter auch die Folgende: „Wir ermahnen euch aber, liebe Brüder: Weist die Unordentlichen zurecht, tröstet die Kleinmütigen, tragt die Schwachen, seid geduldig gegen jedermann“ (1. Thessalonicher 5,14). Das Interessante an diesem Vers ist, dass es um Menschen geht, die man auf den ersten Blick wahrscheinlich nicht unterscheiden konnte. Das Grundphänomen war bei allen gleich: Sie waren nicht besonders aktiv, besonders nicht, wenn es um Mitarbeit und Engagement beziehungsweise Arbeit überhaupt ging. Aber jetzt unterscheidet Paulus diese Menschen in drei Gruppen und plötzlich wird deutlich, wie viele unterschiedliche Gründe es für ein und dasselbe Phänomen gibt. Da gab es die „Unordentlichen“; im griechischen Text steht hier der Begriff ataktos. Tatsächlich steckt hier der auch im Deutschen bekannte Begriff „Takt“ drin. Es geht hier buchstäblich um Leute, die aus dem Takt geraten waren, die in ihrem Alltag verlotterten, nicht mehr arbeiteten und schlicht faul waren. Sie pflegten einen „schmarotzerischen Lebensstil“ auf Kosten anderer. Paulus schreibt, dass solche Menschen zurechtgewiesen werden müssen, weil ihr Lebensstil schlicht inakzeptabel ist. Dann gab es die „Kleinmütigen“, dieoligopsychoi, die Christen mit einer „kleinen Seele/Psyche“. Auch sie waren oft phlegmatisch und nicht gerade dynamisch, aber nicht weil sie faul waren, sondern weil ihre Seele oft „klein“ war. Deshalb möchte Paulus auch nicht, dass sie „zurechtgewiesen“ werden wie die „aus dem Takt Geratenen“, denn dies würde hier gar nichts bringen, im Gegenteil. Paulus sagt: „Die müsst ihr trösten und ermutigen!“ Und dann gab es die „Schwachen“, die astheneis. Das waren Menschen mit engen Grenzen, die entweder körperlich oder psychisch an eine für sie unüberwindlicheGrenze gestoßen sind. Und Paulus sagt: Diese Grenze muss akzeptiert, getragen und ertragen werden, von ihnen selbst, aber auch von der Gemeinschaft! Interessant ist hier, dass Paulus bei den ersten beiden Gruppen auf eine Veränderung drängt: Bei den ersten mit dem Holzhammer (Zurechtweisung), bei den zweiten mit dem Wattebausch (Ermutigung). Bei den Dritten sagt er: Die müsst ihr tragen, aushalten, akzeptieren, annehmen, wie sie sind. Die Schwachheit der Schwachen war für Paulus kein Problem. Das Problem war die rücksichtslosigkeit der Starken, die mit ihrer an sich richtigen „Erkenntnis“ die anderen Gemeindeglieder zwangsbeglücken wollten – und genau das Gegenteil erreichten. Schwachheit verstehen – Der richtige umgang mit den Schwachen ist ein wichtiger faktor für das Wachstum einer Gemeinde. in christlichen Gemeinden sammeln sich viele schwache menschen. Das war von Anfang an so. ILLUStrAtIon: AnDrEAS BEcK / AtELIEr ArnoLD

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