MISSION weltweit – Ausgaben 2016

23 weiterdenken >> gastbeitrag von rolf trauernicht l Sublimierung | Hier werden nicht erfüllte Triebwünsche durch gesellschaftlich höher bewertete Ersatzhandlungen ersetzt. Einige fliehen in eine Arbeitswut, in ein Psychologiestudium, um sich besser kennenzulernen, oder neigen zum Perfektionismus. l Somatisierung| Und wenn diese und viele andereMechanismen nicht die Lösung bringen, besteht die Gefahr, dass der Körper reagiert. Zahlreiche körperliche Beschwerden haben unter anderem hier ihre Ursache. Typische Reaktionen des Körpers sind Magen- probleme, Rückenschmerzen, einige Asthmaerkrankungen usw. Wir sehen, dass das Scheitern langfristige Auswirkungen haben kann. Nicht selten entstehen dadurch bindungsunfähige Menschen oder solche, die an Leib und Seele Schaden nehmen. Da wir selbst uns nicht so gut kennen, ist es oft hilfreich, Menschen aufzusuchen, die etwas von diesen Zusammenhängen verstehen. Wenn wir unsere Irrwege erkennen, können wir uns auch dagegen entscheiden und neue Wege einüben. Sonst stehen wir in Gefahr, im Alter zu sehr eigenartigen Menschen zu werden. Es bleibt nun die Frage, ab welchem Punkt es sinnvoll ist, über seine bewussten oder unbewussten Auswege des Scheiterns nachzudenken. Ich denke: Wenn wir nicht glücklich sind, wenn Beziehungen schwierig geworden sind oder wenn wir sogar in einer Sünde oder Sucht leben, dann ist es höchste Zeit, neue Wege kennenzulernen, von denen ich jetzt einige vorstellen will. Wie das Scheitern zum Segen werden kann Ich denke, wir alle wollen zufrieden, beziehungsfähig und aufgeräumt durchs Leben gehen. Das Wort Gottes nennt uns dafür zahlreiche Hilfen, die wir ein Leben lang einüben sollten. Das Problem benennen Psalm 32,3: „Denn als ich es wollte verschweigen, verschmachteten meine Gebeine durch mein tägliches Klagen.“ Wir alle schweigen gerne über unser Versagen. Das Scheitern ist immer peinlich. Oft sind wir erst dann in der Lage, über unser Versagen zu reden, wenn die Not groß ist. Manchmal muss, wie bei David, der Körper reagieren. Vor Kurzem sagte jemand zu mir: „Ich gebe dir die Genehmigung, in mein Leben reinzureden, denn ich will besser in Beziehungen leben und nicht so wie meine Eltern enden.“ Ich möchte Ihnen Mut machen, sich bei einem Menschen zu öffnen, der zuhören und schweigen kann und nicht bewertet. Ein Ehepaar erzählte mir, dass sie einmal wöchentlich für eineinhalb Stunden Folgendes praktizieren: Jeder darf eine Viertelstunde alles erzählen, was ihm wichtig ist. Der Partner, der zuhört, darf sich Notizen machen, aber nicht dazwischenreden. – Sie haben sich dadurch neu kennengelernt, hatten enorme emotionale Erlebnisse, und ihre Ehe wurde mit neuer Liebe gefüllt. Ich weiß, es ist schwer, einen Menschen zu finden, dem man sich anvertrauen kann. Ich möchte Ihnen trotzdem Mut dazu machen. Wir sollten mehr als „Unvollkommene“ zusammenkommen und nicht als scheinbar perfekte Menschen. Unser Denken verändern In Römer 12,2 werden wir dazu aufgefordert, unser Denken zu verändern: „Und stellt euch nicht dieser Welt gleich, sondern ändert euch durch Erneuerung eures Sinnes, damit ihr prüfen könnt, was Gottes Wille ist, nämlich das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene.“ Wir alle denken viel, einer Forschung entsprechend angeblich 50.000 bis 80.000 Gedanken täglich. Zu diesen zahlreichen belanglosen Gedanken kommen auch immer wiederkehrende hinzu, die nicht gut sind und oft auch nicht geistlich. Bezüglich des Scheiterns können das Gedanken sein wie: Ich bin nicht gut genug – Ich schaffe das nicht – Mich liebt niemand – Ich bin zu dick – Ich bin zu mittelmäßig. Nun kann es hilfreich sein, solche wiederkehrenden Gedanken einzufangen, sie anzuschauen und sie durch geistliche Gedanken zu verändern. Der Gedanke „ Ich bin nicht wichtig“ könnte zum Beispiel ersetzt werden mit „Ich bin ein Kind Gottes mit Gaben und Grenzen und total geliebt.“ Es kann eine Hilfe sein, seine Gedanken bezüglich des persönlichen Scheiterns anzuschauen und sie in eine neue Richtung zu leiten. Manchmal ist es auch hilfreich, jemanden – der einen kennt – zu fragen, welche Veränderungen erforderlich sind. So gab ich einem Vater, der wahrnahm, dass seine Kinder ihn ablehnten, den Rat, die Kinder mal zu fragen, was er falsch macht. Sie konnten das genau definieren, und das half ihm. Das klärende Gespräch Nach einem Scheitern in Beziehungen verstummt oft das Gespräch. Manchmal ist es auch richtig, etwas ruhen zu lassen, um Klarheit über die Gefühle und Gedanken zu bekommen. Aber sehr oft ist es unerlässlich, dass sich die Partner des Scheiterns – vielleicht mit externer Hilfe – den Konflikt genau anschauen, um miteinander nach Auswegen zu suchen. Das Leben mit den Folgen des Scheiterns Leider ist es immer wieder so, dass ein Scheitern nicht wieder gutzumachen ist. Bei dem einen ist es die Abtreibung, bei einem anderen die zerbrochene Ehe oder das Annehmen der Lebensumstände. Wieder andere müssen ein Ja zu ihrer Krankheit finden. Es ist oft ein langer Weg, von Herzen ein Ja dazu zu finden. Es kann eine Hilfe sein, seine Entscheidung zu einem Ja einmal zu verschriftlichen, damit sie mehr Gewicht bekommt. Das Scheitern zum Segen werden lassen Durch meine Aufgabe als Leiter des Weißen Kreuzes – ein Verein, der sich um sexualethische Herausforderungen kümmert – habe ich viele Menschen kennengelernt, die sexuellen Missbrauch erleben mussten. Viele von ihnen wurden mit ihren Erfahrungen zu oft aufgesuchten Seelsorgern. So erlebe ich es auch mit Menschen, die in der Pornografie festsaßen, eine Ehekrise oder eine Scheidung hinter sich hatten oder eine Abtreibung verarbeiten mussten. In einem Scheitern kann auch eine Berufung liegen. Zum Schluss bleibt noch die Frage, wie wir uns vor einem Scheitern schützen können. So lange wir auf dieser Erde sind, werden wir uns dem Scheitern in kleinen und großen Herausforderungen stellen müssen. Aber wenn wir alles daran setzen, in der engen Beziehung zu unserem Herrn Jesus Christus zu leben, leben wir die beste Prävention. In einem Scheitern kann auch eine Berufung liegen. Rolf Trauernicht, ehemaliger Leiter Weißes Kreuz e. V., Prediger, Coach, Mediator, lebt mit seiner Frau Heike in Kassel. Sie haben eine erwachsene Tochter. Foto: istockphoto/newphotoservice Foto: privat

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