MISSION weltweit – Ausgaben 2016

15 miSSion weltweit 1–2/2016 BUrUnDi DArUm GeHt’S Ratten. Vielleicht können Sie sich vorstellen, dass das keine Hochgefühle in mir auslöste. Es gab Herausforderungen zu meistern, denen ich mich zu dieser Zeit ganz und gar nicht gewachsen fühlte. Besuch bei Mary Jeden Donnerstagnachmittag gingen wir zu einem „outreach“ ins Dorf, das heißt wir besuchten Menschen in ihren Häusern, kamen mit ihnen ins Gespräch und beteten für sie. Ich erinnere mich ganz genau an den Tag, als wir Mary besuchten. Mary ist eine Frau in den Fünfzigern, die ihren Mann während des letzten Bürgerkrieges verloren hat. Sie schlägt sich mehr oder weniger alleine durch, und oft geht es bei ihr mehr ums Überleben als ums Leben. Als wir zu dritt vor ihrem Haus standen, holte sie noch schnell von den Nachbarn eine kleine Holzbank, die sie ins Haus stellte. Dann bat sie uns herein. Ihr Haus würden wir wohl eher als dunkles Loch bezeichnen. Man konnte in dem Raum aus Lehm kaum etwas erkennen, und die Luft war durchzogen von unterschiedlichen Gerüchen nach Asche, Tieren und Erde. In einer Ecke des Raumes konnte ich erkennen, dass zwei Reihen Steine aufeinandergestapelt waren. Dann hörte ich auch schon das Quieken der Meerschweinchen. Es waren rund 15 Tiere, mit denen sie diesen Raum teilte, und die sie als Unterstützung für ihren Lebensunterhalt geschenkt bekommen hatte. Viel gab es nicht außer den Meerschweinchen. Ein dreckiger Ölkanister zum Wasserholen und eine Bambusmatte zum Schlafen – das war alles! Ich ging schweren Herzens nach Hause. Dort musste ich feststellen, dass mal wieder kein Strom da war. Ich ärgerte mich – und schämte mich in diesem Moment fast dafür, dass ich mich ärgerte. Sollte ich nicht dankbar sein, dass ich überhaupt Zugang zu Strom habe? Sollte ich nicht dankbar sein, dass ich überhaupt sauberes Wasser trinken kann und nicht jeden Tag weit laufen muss, um es vom Brunnen zu holen? Es gäbe so viele Dinge, die ich hier auch noch nennen könnte ... Wenn ich an Mary denke, dann sehe ich ein vor Freude strahlendes Gesicht vor mir. Sie beschwerte sich nicht, und ist dankbar für das, was sie hat. Sie hinterließ einen bleibenden Eindruck bei mir. Keine zwei Wochen nach unserem Besuch fanden wir sie schwer krank. Sie hatte schon fünf Tage lang nichts gegessen. Wir pflegten sie und versorgten sie mit Nahrung, bis sie wieder ganz genesen war. Mit den einheimischen Mitarbeitern des Projektes gab es alle zwei Wochen ein Treffen, bei dem wir gemeinsam Gott lobten, in der Bibel lasen und uns über das Gelesene austauschten. Bei einem dieser Treffen ging es um das Thema „Dankbarkeit“. Jede einzelne Person sollte etwas nennen, für das sie oder er Gott besonders dankbar ist. Ich grübelte und war unschlüssig, was ich nennen sollte. Über die Antworten der burundischen Mitarbeiter war ich umso mehr erstaunt, denn jeder Einzelne gab dieselbe Antwort: „Ich danke Gott, dass ich heute Morgen lebend und gesund aufgewacht bin!“ Wow! Das brachte mich auf den Boden der Tatsachen zurück. Hochklettern, zuschauen, lernen Das Leben im Landesinneren, der Kontakt mit den Menschen dort und der Einblick in ihr Leben, den sie mir gegeben haben, hat meine Sicht auf die Dinge verändert. Für mich ist es nicht mehr selbstverständlich, einfach den Wasserhahn aufzudrehen und das Wasser zu trinken oder es sogar noch warm aus der Leitung zu bekommen, ohne dass man vorher ein Kohlefeuer gemacht und zum Brunnen gegangen ist. Das Leben hier hat mir gezeigt, was wirklich wichtig im Leben ist und mich wieder neu dankbar gemacht Gott gegenüber, der mir dieses, mein Leben geschenkt hat, der mich gesund hält, der mich beschützt, der mich jeden Morgen wieder neu aufwachen lässt. Hier in Burundi zu arbeiten hat meinen Horizont erweitert und mir eine neue Perspektive für „Dankbarkeit“ gegeben. Es ist, als wäre ich wie die burundischen Kinder auf einen Baum geklettert, um zu sehen, was hinter dem Zaun passiert. Man klettert hoch, man schaut zu – und man hat etwas Neues dazugelernt. Was ich besonders schön finde: Als Missionarin habe ich nicht nur etwas zu geben. Ich kann auch viel von den Menschen hier lernen. Ina Schütte ● Ina Schütte lebt und arbeitet seit mai 2014 in Burundi, wo sie zunächst im landesinneren die Sprache Kirundi sowie die Kultur des ostafrikanischen landes kennenlernte. Jetzt engagiert sie sich in der Hauptstadt Bujumbura in der Sonntagsschularbeit unserer Partnerkirche. ein Schwerpunkt bildet die Arbeit mit traumatisierten Kindern. ina Schütte ist erzieherin und hat die Ausbildung am theologischen Seminar der liebenzeller mission absolviert. Für mich ist es nicht mehr selbstverständlich, einfach den Wasserhahn aufzudrehen und das Wasser zu trinken oder es sogar noch warm aus der Leitung zu bekommen, ohne dass man vorher ein Kohlefeuer gemacht und zum Brunnen gegangen ist. in der Landessprache kirundi gibt es kein direktes Wort für „Danke“. man benutzt „Urakoze“ (mit summendem „z“ gesprochen), das bedeutet wortwörtlich: „Du hast gearbeitet“. es gibt noch andere formen, Dankbarkeit oder Wertschätzung auszudrücken. Diese hören wir oft bei den typischen „Amajambo“ – den reden, die teil eines jeden Besuches und auch bei festlichkeiten üblich sind. als Missionarin habe ich nicht nur etwas zu geben. ich kann auch viel von den Menschen hier lernen.

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