MISSION weltweit – Ausgaben 2016

20 WEITErDENKEN >> SonDerbeitrAG von WilfrieD Sturm 1. Wer bekommt den Apfel? Mehrere Jungen stehen auf der Straße beieinander. Sie haben einen Apfel geschenkt bekommen und überlegen sich, wer den Apfel essen darf. Schließlich wird entschieden: Wer am besten lügen kann, der bekommt ihn. Zufällig hört das ein Mann, der gerade vorbeigeht. Ganz entrüstet fährt er die Jungen an: „Wie kann man nur um die Wette lügen? Ich habe in meinem ganzen Leben noch nie gelogen!“ Da sagt einer der Buben ganz trocken: „Komm, Erwin, gib ihm den Apfel!“ – Diese kleine Geschichte zeigt etwas von der Allgegenwart der Lüge in dieser Welt. 2. Wie aus Katzen Hirsche werden Laut einer Studie der amerikanischen Psychologin Bella DePaulo lügt der Mensch zweimal am Tag. Eine andere Studie kommt auf durchschnittlich 2,9 Lügen in einem zehnminütigen Gespräch.1 Wieder eine andere, die an einer Universität in Los Angeles in den USA durchgeführt wurde, kommt sogar zu dem Ergebnis, dass der Mensch alle acht Minuten am Tag lüge.2 Wie dem auch sei – für die Bibel ist es geradezu ein Kennzeichen des Menschen, dass er lügt. In 4. Mose 23,19 lesen wir: „Gott ist nicht ein Mensch, dass er lüge“, das heißt, wenn Gott ein Mensch wäre, dann müsste man damit rechnen, dass er lügt. Dem entspricht das Urteil, das Paulus im Rückgriff auf Psalm 116,11 über den Menschen fällt: „Gott ist wahrhaftig und alle Menschen sind Lügner“ (Römer 3,4). Beispiele für die Allgegenwart der Lüge gibt es genug. Sie reichen von der vorgetäuschten Verhinderung („Kann leider nicht zur Tupper-Party kommen, habe schon einen anderen Termin“) bis zum Versicherungsbetrug. So war in einem Zeitungsartikel Folgendes zu lesen: „Einen Moment nicht aufgepasst – und schon hatte es gekracht. Die Reparatur an der Front des BMW hätte ihn 2000 Euro gekostet. Das war dem Autofahrer zu teuer. Darum meldete er seiner Versicherung einen Wildschaden. Nicht die heimische Garagenmauer – ein kapitaler Hirsch sei es gewesen, der ihm auf nächtlicher Landstraße im Weg gestanden habe. Zwar war das arme Tier geflüchtet. Doch im zerbeulten Blech des BMW ließen sich eindeutig Fellreste erkennen.”3 Allerdings kam die Versicherung dem Autofahrer schnell auf die Schliche. Sie ließ die Fellreste chemisch untersuchen. Die Untersuchung ergab: Das war nicht Hirsch, sondern Katze. Dabei werden Lügen in unserer Gesellschaft durchaus unterschiedlich bewertet: Während Versicherungsbetrug oder Steuerhinterziehung allgemein verurteilt werden, zeigen Umfragen, Wenn das alte testament von Wahrheit spricht, dann geht es um mehr als um sachliche richtigkeit, dann geht es um Beziehung. Wahrheit und Lüge Sonderbeitrag von Wilfried Sturm 1 Vgl. http://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article106292192/Die-ganze-Wahrheit-ueber-das-Luegen.html. 2 Simone Dietz, Die Kunst des Lügens (2003), 15, Anm. 1. 3 Calwer Kreisnachrichten / Schwarzwälder Bote, 27.4.2004

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