MISSION weltweit – Ausgaben 2016

13 mISSIon weltweit 11–12/2016 RuSSlAnD DARum gEHt’S Foto: lena schinDler Wir können ein Stück weit nachvollziehen, was Martin Luther zum Thesenanschlag bewegt hat, denn die religiöse Situation in Russland ist heute ähnlich wie die damals: P Wir haben hier eine mächtige Volkskirche, die geistliche und politische Macht und Kontrolle anstrebt. P Die Menschen wissen nicht, wie sie einen gnädigen Gott bekommen können. P Die Kirchen sind voller leerer Rituale. P Heiligen- und Reliquienverehrung ist alltäglich. Deshalb ist es uns wichtig, im Gespräch mit Menschen, in Predigten oder beim jährlichen Feiern des Reformationsfestes auf die Säulen der Reformation hinzuweisen: Allein die Gnade Hier sind die Menschen noch sehr von dem Gedanken gefangen, dass sie Gott mit ihren guten TatenbeeindruckenundsichdadurchdenZugang zumHimmel erarbeiten könnten. Deshalbwollen wir begreiflichmachen, dass guteWerke der Ausdruck unserer Liebe zu Jesus sind und unseres Dankes für das, was er für uns getan hat. Öfter bekommen wir zu hören, dass „nur Gnade“ doch viel zu einfach wäre! Allein der Glaube „Einfach nur zu glauben“ ist schwer für Menschen, wenn ihnen überall vorgeführt wird, wie das praktische (orthodoxe) Glaubensleben auszusehen hat: sich vorschriftsmäßig kleiden, Kerzen für sich und andere (auch Verstorbene) anzünden, die richtigen (vorformulierten) Gebete sprechen, Feiertage und Fastenzeiten halten, sich ein Kreuz um den Hals hängen. Manche sagen uns, dass sie „richtige Christen“ sind, weil sie sich an diese Regeln halten. Doch wenn wir sie näher kennenlernen, stellen wir oft fest, dass Glaube und praktisches Leben weit auseinanderklaffen. Allein die Schrift Nachdem es lange nur Bibeln in Altslawisch gab, wurde 1876 auf Bestreben der russischen Bibelgesellschaft die Bibel in damals verständlicher russischer Sprache herausgegeben. Sie ist seither die einzige Übersetzung, die die orthodoxe Kirche offiziell akzeptiert. Doch heute verstehen die Menschen sie nicht mehr. Deshalb sind wir froh und dankbar, dass seit fünf Jahren eine neue Übersetzung in zeitgemäßer russischer Sprache erhältlich ist, die gerne und mit Gewinn gelesen wird, auch von unseren Gemeindegliedern in Nischni Tagil. Wir haben uns für dieses Jahr als Gemeinde vorgenommen, gemeinsam die Bibel in einem Jahr durchzulesen. Leider gilt in der orthodoxen Kirche die Bibel nicht als alleiniges Wort Gottes, sondern auch zusätzliche Lehrmeinungen ihrer Kirchenväter. Diese offiziellen Verlautbarungen stimmen nicht immer mit der Bibel überein. Weil auf unterschiedlichen Fundamenten aufgebaut wird, ist der Dialog über Glaubensinhalte so schwer. Allein Jesus Christus Zentrum unseres Glaubens und Lebens ist Jesus Christus – der einzige Mittler zwischen Gott und Menschen. Traurig müssen wir zusehen, dass Menschen versuchen, bei toten Heiligen und Reliquien Hilfe zu bekommen. Deshalb weisen wir, wo es nur geht, auf Jesus als den einzigen Helfer und Retter hin. Wenn Menschen in unsere Gemeinde in Nischni Tagil kommen, betonen sie immer wieder, dass ihnen besonders das Miteinander in der Gemeinde, die Predigt in verständlicher russischer Sprache und das (gemeinsame!) Singen gefällt. Das alles ist ihnen größtenteils fremd. Wir betrachten diese Gottesdienstinhalte als wertvolles Erbe der Reformation. Matthias Schindler ● Matthias und Lena Schindler leben seit 2006 beziehungsweise 2008 in russland und haben nach dem sprachstudium mit dem aufbau einer gemeinde in nischni tagil im ural begonnen. matthias hat die ausbildung am theologischen seminar der liebenzeller mission absolviert und zuvor als verpackungsmittelmechaniker gearbeitet. lena war bis 2007 als hotelfachfrau in den christlichen gästehäusern monbachtal beschäftigt. Religiöse Rituale statt Reformen philipp melanchthon sandte Briefe nach Russland, um die orthodoxe Kirche vom gedanken der Reformation zu überzeugen. Aber dabei blieb es leider auch. Wir haben in Russland oft das gefühl, in einer ähnlichen Ausgangssituation wie luther vor der Reformation zu sein. Anspiel beim Reformationsfest mithelfen: spenDencoDe 1820-32 russland

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