MISSION weltweit – Ausgaben 2016

11 japaN DaRUm gEhT’S miSSioN weltweit 3–4/2016 Nach mehr als zehn Jahren wühlt mich jede Erinnerung daran auf, und mir kommt die Frage an den reichen Kornbauern aus Lukas 12 in den Sinn. Es hatte sich abgezeichnet, dass die Tage von Frau I. gezählt sind. Je näher der letzte Tag ihres Lebens kam, desto heftiger wurde der Kampf in ihr, wem sie ihren Besitz vererben sollte. Der einzige Sohn war am 39. Geburtstag an Leukämie gestorben. Das Verhältnis zu den nahen Verwandten war nicht gut. Wahrscheinlich ist der Erbstreit heute noch nicht geschlichtet. Das Anwesen mit wertvollen Kunstobjekten in Tokio scheint verwaist. Das japanische Gesetz schreibt Leichenverbrennung vor. Die sterblichen Überreste von Frau I. waren in ihren edlen Hochzeitskimono gekleidet, sie trug Gold- und Silberschmuck und auch der wertvolle Sarg dokumentierte zum letzten Mal den Wohlstand der Familie. Dann wurden Leiche und Sarg in den Verbrennungsofen geschoben. Einzig ein operativ eingesetztes Hüftgelenk blieb unversehrt. „Was ist der Mensch?“ Schon während die Leiche verbrannte, entbrannte der Erbstreit unter den wartenden „Trauergästen“. Gewünschtes und gewährtes Erbe Nachdem die beiden eigenen Kinder „aus dem Gröbsten“ heraus waren, entschloss sich Ehepaar T., einem bedürftigen Kind Familie zu sein. Die Körperbehinderung von Hideo verlangte Frau T. viel ab. Viele Jahre versorgte sie den Jungen täglich in der Schule. Während der Pubertät arteten seine Aggressionen sogar in Handgreiflichkeiten aus. Mit schwer zu beschreibender Geduld mühte sich Frau T., dem Jungen eine gute Mutter und eine Gehilfin zum Glauben an Jesus Christus zu sein. Ihre Bemühungen schienen fruchtlos zu bleiben. Hideos 18. Geburtstag rückte näher. Sollte er adoptiert werden, mit allen dazugehörigen Rechten? Damit müsste das Erbe nicht nur unter den beiden leiblichen, sondern unter drei Kindern aufgeteilt werden. Der Pflegesohn hatte sich im Vorfeld mehrfach geäußert. Er wünsche sich vor allem, den Familiennamen der Adoptiveltern zu erhalten. Beide mittlerweile erwachsenen Kinder stimmten der Adoption zu, und Frau T. zögerte auch nicht. Aber für Herrn T. war es ein Kampf. Überraschend verstarb er. Bei der Trauerfeier war sehr eindrücklich, wie Hideo an der Seite der Witwe und der Stiefgeschwister neben dem Sarg stand. In mehreren Beiträgen wurde besonders erwähnt, wie beeindruckend die Entscheidung des Verstorbenen, seinem Pflegesohn das volle Kindesrecht und damit Erbe und Name zu geben, auf die Umgebung gewesen war. Was wirklich zählt „Ach, sagt mir nichts von Gold und Schätzen …“ hatman frühermit Gitarrenbegleitung gesungen. Paul Gerhardt hat in sein Testament geschrieben: „… Meinem einzigen hinterlassenen Sohne überlasse ich von irdischen Gütern wenig, dabei aber einen ehrlichen Namen, dessen er sich sonderlich nicht wird zu schämen haben.“ Die Angehörigen von Familie I. streiten wohl immer noch um vergängliches Erbe. Hideo T. dage- gen hat einen kleinen irdischen Besitz und den Familiennamen erhalten. Dass sein Name unauslöschlich im Buch des Lebens geschrieben steht, dafür gab unser Herr Jesus Christus sein Leben. Frau T. und wir bezeugen das, und wir beten, dass noch viele Menschen – auch hier in Japan – sein unvergängliches Erbe erhalten. Traugott Ockert ● Traugott und Dorothea Ockert sind seit 1980 missionare in japan. Sie waren in der gemeindegründung und Teamleitung tätig und leben seit Sommer 2006 in okutama. Dort leiten sie das freizeitheim „fukuien no ie“ (haus des Evangeliums). Traugott ockert war vor seiner ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller mission industriekaufmann, Dorothea ist Erzieherin. ihre beiden erwachsenen Söhne leben in Deutschland. „Wem wird gehören, was du angehäuft hast?“ „Das letzte hemd hat keine Taschen.“ „mitnehmen kann keiner etwas.“ „Diese Währung zählt dort nicht.“ Es gibt sie zuhauf: flotte Sprüche, Lebensweisheiten, Ratschläge hinsichtlich des Umgangs mit irdischem besitz und was am Ende damit geschieht. Doch haben sie praktische auswirkungen? Aufgebahrter Sarg bei einer christlichen Beerdigung im Freizeitheim in Okutama Foto: tRAUgott oCKERt mithelfen: sPENDENCoDE 1340-32 Japan

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