darum geht’s papua-neuguinea 12 Da steht ein Opa, der kaum noch stehen kann, mit seinem schimmelgrauen Bart auf der Straße und macht sich wichtig. Ein Erdrutsch hat die Hauptverbindungsstraße verschüttet. Nun fordert er eine Ablösesumme vom Staat. Ganz bescheiden ist er, zunächst einmal vier Millionen Kina. Er weiß sicher nicht, wie viel eine Million ist, geschweige denn, wie viele Nullen sie hat. Aber es ist sein Land, von den Vätern bekommen. Deshalb seine Forderung. Auf solche „Rechtsansprüche“ wird eingegangen, auch wenn dann doch keine Millionen fließen. Da sind die riesigen Urwaldgebiete mit versteckten Bodenschätzen und wertvollen Hölzern. Alles hat natürlich seine Besitzer. Es sind nicht unbedingt Einzelne, sondern Familienverbände und Stämme. Wehe dem, der sich einfach bedient. Um das Land wurde schon immer gekämpft, und der Kampf geht mit anderen, schwerfälligeren, nicht unbedingt zivilisierteren Mitteln weiter. Das kulturelle Erbe Aber es gibt in Papua-Neuguinea „Erbschaften“, die uns fremd sind. Das kulturelle Erbe bewundern wir aus der Ferne. Aber nur aus der Ferne! Denn die Tabus und Verbote (meistens für Frauen, zugunsten der Männer), ziehen im schlimmsten Fall Bestrafung und Tod nach sich, wenn sie gebrochen werden. Schon die allgegenwärtige Angst, von den geerbten Traditionen abzukommen, genügt, um die Lebensqualität stark zu beeinträchtigen. Die traditionellen Handlungsweisen Sie betreffen Heirat, Geburt, „Behandlung“ der Frauen, Kindererziehung, Krankheit und ganz besonders Tod und Beerdigung. Ihre Einhaltung, so lernt man schon als Kind, wird durch die allgegenwärtigen Ahnengeister überwacht. Ein Beispiel: Da liegt in einem Dorf tagelang eine mittlerweile stinkende Leiche. Die beiden Frauen des an Typhus Verstorbenen müssen noch links und rechts neben ihm unter dem Betttuch verweilen. Er braucht ja die Gesellschaft, besonders dann, wenn sich seine Seele auf die neuen Verhältnisse einstellen muss ... Aber was das für die Frauen bedeutet, interessiert niemanden. Der geerbte Hass Der Hass auf Feinde begann in grauer Vorzeit. Manchmal weiß man sogar noch, warum. Es sind eben Feinde, egal, ob man sie kennt oder nicht. Früher massakrierte die Tari-Volksgruppe „nur“ mit Pfeil und Bogen, wobei die Kampfspitzen liebevoll sadistisch zubereitet waren. Heute hat man eine automatische Waffe, M16 genannt. Menschlich gesehen ist es unmöglich, den Hass und das Misstrauen gegen den feindlichen Stamm zu überwinden. Ein dunkler Schatten über dem Leben der Menschen, ein landesweites Problem. Ja, Frieden kann geschlossen werden. Das verschlingt horrende Geldsummen und kostet Unmengen von Schweinen das Leben. Eine „Erbschaft“, die das Leben erschwert, Leute beschäftigt und oft Leid über die Familien bringt. Die alten Tage sind keineswegs vorbei, auch wenn man den Blätterschurz mit einer Jeans eingetauscht hat. Das geerbte geheime Wissen Zum Schluss möchte ich ein mindestens ebenso großes Übel erwähnen: die geerbte spirituelle odermediale „Geheimwissenschaft“, die uns sehr fremd anmutet. Unter „Sanguma“ ist diese Kunst des Tötens und Mordens hier landesweit bekannt. Die teuflische Fähigkeit, Menschen zum Teil auch auf Entfernung zu töten, würde oft „dem Blut folgen“, hörte ich immer wieder von einheimischen Freunden. Es springt von der Mutter Gerhard und Brigitte Stamm leben seit 1988 in PapuaNeuguinea. Aktuell sind sie schwerpunktmäßig im SepikGebiet und im Hochland aktiv bei Gemeindebesuchen in abgelegenen Gebieten, der Fortbildung von haupt- und ehrenamtlichen einheimischen Mitarbeitern, Eheseminaren und Seelsorge. Gerhard war vor seiner Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission Bundesbahnbeamter. Brigitte ist Hauswirtschafterin und Krankenschwester. Dieses Erbe wird uns niemand streitig machen. Aber vorher müssen wir darauf einen Rechtsanspruch haben. Solche und solche Erbschaften Erben!? Gibt’s das eigentlich in Neuguinea? Da lebt man doch im Hier und Jetzt. Einen Mercedes oder eine schöne Bargeldsumme hinterlässt keiner. Also Thema abgehakt. Doch ist es wirklich so einfach? Fotos: gerhard stamm Raubbau an der Natur: Über solche Holzfällerstraßen werden wertvolle Tropenhölzer aus dem Urwald gezogen und transportiert. Einen anderen Zweck haben diese „Straßen“ nicht.
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