15 kANADA DArUM GeHt’S MiSSioN weltweit 5–6/2016 zuordnen, sind nicht eingeladen. Selbst in eher unverblümten Ehebüchern wird davor gewarnt, sich zu früh mit Details der ehelichen Sexualität zu beschäftigen. Zu groß sei die Gefahr, in Versuchung zu fallen. Für Jugendkreise bleibt also hauptsächlich das Wiederholen der Bibelstellen, die dafür sprechen, erst nach der Hochzeit Geschlechtsverkehr zu haben – falls es nicht mutige Mitarbeiter gibt, die die Themen offen ansprechen. Eine Not und ihre Folgen Die größer werdende Zahl der Jugendlichen, die mehr Praxiserfahrung haben als ihr Umfeld ahnt, bleibt auf vielen Fragen sitzen. Zu der Scham, den Erwartungen in christlichen Kreisen nicht zu entsprechen, kein guter Mitarbeiter zu sein und die Vorbilder zu enttäuschen, kommen bohrende Selbstzweifel, wenn das Erlebte so ganz anders war als in den Filmen oder den Prahlereien der Freunde. Nur manche hält diese Verunsicherung von weiteren negativen Erfahrungen ab. Für viele ist nahe liegender, da weiterzusuchen, wo sie ihre Sicherheit verloren haben. Deshalb brauchen Jugendliche eine starke Heimatgemeinde mit ehrlichen Menschen, die ihnen Halt geben! Doch wollen Jugendliche wirklich mit älteren Christen über so persönliche Dinge reden? Ist das nicht viel zu peinlich? „Ich hab’ ganz viel, soll ich gleich anfangen?“, begrüßte mich ein Mädchen bei der ersten Verabredung zum „Mentoring“. Dabei hatte ich mir den Kopf zerbrochen, wie ich ein Gespräch anfangen könnte! Seither habe ich so oft gehört: „Ich schäme mich so, ich könnte ein Loch graben und darin versinken.“ „Mir geht es schon besser, nur weil ich es dir erzählen kann.“ „Ich bin sooo dankbar, dass ich dir echt alles sagen kann!“ Daniel und ich haben seit vielen Jahren das Privileg, junge Menschen ein Stück begleiten zu dürfen. Je weniger selbstverständlich christliche Werte werden, desto größer wird die Herausforderung, uns zu immer größerer Transparenz und Offenheit durchzuringen. Die Angst, Jugendliche dadurch zu „verderben“, ist uns fast abhanden gekommen. Das Risiko, uns selbst verletzbar zu machen, hat sich noch nicht als Nachteil erwiesen. Ein Plädoyer fürs Unverschämtsein Und doch sind manche Enthüllungen besorgniserregend und schmerzhaft. Gute Gespräche haben nicht immer eine Lebensgestaltung nach biblischen Grundsätzen zur Folge. Aber sollen wir deshalb aufgeben und die Ratsuchenden dem „Feind zum Fraß“ vorwerfen? Sie mit ihren Fragen den Stammtischgesprächen, fragwürdigen Sendungen, InternetBeicht-Seiten und der Pornografie überlassen? Wenn sogar Paulus schreibt: „Ich verstehe ja selber nicht, was ich tue. Das Gute, das ich mir vornehme, tue ich nicht; aber was ich verabscheue, das tue ich“ (Römer 7,15, Hoffnung für alle) – wie können wir uns dann ausruhen in einer Passivhaltung zwischen „Die heutige Jugend ist so verdorben“ und „Wir sind ja auch nicht besser, also sind wir lieber still“? Unser Fazit: Mit Ehrlichkeit wird Anerkennung und Annahme nicht verspielt, sondern gewonnen! Es lohnt sich, Scham zu überwinden. Traut Euch, Sorgen, Fragen und Niederlagen zu teilen! Lebt Gottvertrauen vor, nicht (gespieltes) Selbstvertrauen! Ihr sucht tiefe Gemeinschaft? Dann werdet „unverschämt“! Rita Mattmüller ● gute gespräche haben nicht immer eine lebensgestaltung nach biblischen grundsätzen zur Folge. aber sollen wir deshalb aufgeben und die Ratsuchenden dem „Feind zum Fraß“ vorwerfen? Mentoring bezeichnet laut Duden die Beratung und Unterstützung durch erfahrene Fach- oder Führungskräfte. Der Begriff leitet sich ab von Mentor, einem erzieher in der griechischen Mythologie. Oben: Toronto als Lernumgebung für junge Missionare Unten rechts: Praktischer Unterricht für angehende Missionare Fotos: Rita und daniel mattmÜlleR Unten links: Als Ehepaar gestalten wir zusammen den Unterricht für künftige Missionare. Im gleichen Haus leben wir auch als Familie. Foto: seBastian PRoss Mithelfen: sPendenCode 1110-32 Kanada Foto: atelieR aRnold/CCvision
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