MISSION weltweit – Ausgaben 2016

23 DAS eMpFeHleN Wir WEITErDENKEN >> GAStBeitrAG VoN SiMoN HerrMANN umzubringen. Es sollen zurückweichen und zuschanden werden, die mir mein Unglück gönnen.“ (Psalm 40,15) Damit hängt auch die Bitte zusammen, selbst nicht zuschanden zu werden. Hier verlässt sich einer auf Gott und bittet, dass Gott sich zu ihm stellt. Man kann diesen Gedanken frei formuliert so wiedergeben: „Lass mein Vertrauen auf dich nicht enttäuscht werden, sodass ich mich nicht schämen muss, weil ich mich auf dich verlassen habe.“ Verbunden ist damit oft auch noch die Angst, dass andere straucheln könnten (zuschanden werden), wenn sie sehen, dass es dem dreckig geht, der sich auf Gott verlassen und sich für ihn eingesetzt hat (Psalm 69). Hier hat die Sorge, dass man sich am Ende schämen muss, also nichts mit eigenem Fehlverhalten zu tun. Es geht um die Schande, die einem zugefügt werden könnte. Am Ende schämt man sich für etwas, was einem angetan wurde, wofür man aber nichts kann. Wie bei den Psalmbetern, so gibt es heute Menschen, deren Leben oder deren Ehre geschändet wurde. Manche schämen sich, weil andere über sie Macht ausgeübt haben und auf ihnen herumgetrampelt sind. Mit den Psalmbetern dürfen sie sich der Annahme und Zuwendung Gottes in besonderem Maße bewusst sein: „Bei Gott ist mein Heil und meine Ehre“ betet David (Psalm 62,8a) und Asaf bekennt trotz aller Nöte, dass Gott ihn am Ende „mit Ehren“ annimmt (Psalm 73,24b). Aspekt 2: Die Gnade, sich schämen zu können Die Propheten des Alten Testaments prangern immer wieder die Sünde des Volkes Gottes an. Sie klagen darüber und halten den Menschen vor, dass sie sich nicht mehr schämen, obwohl sie allen Grund dazu hätten (Jeremia 3,3). Wer scham-los bleibt und gar nicht mehr merkt, dass er sich eigentlich vor Gott schämen müsste, dem kündigt der Prophet an, dass Gott ihn beschämen und zuschanden kommen lassen wird (Jesaja 1,29). Auf diesem Hintergrund muss es als Gnade angesehen werden, wenn man sich noch schämen kann, denn darin liegt der erste Schritt zur Veränderung und zur Heilung von gebrochenen Beziehungen. Hesekiel vergleicht Israel, das Gott untreu wurde, mit einer Hure, die sich schamlos von Gott (im Bild: dem Ehemann) abgewendet hat. Israel hatte den Treuebund mit Gott gebrochen und sich von ihm gelöst. Gott straft sein Volk, aber er nimmt es auch wieder an. Durch die Vergebung und Zuwendung Gottes – mehr noch als durch die Strafe! – wird sich Israel bewusst, was es getan hat und schämt sich darüber. (Hesekiel/Ezechiel 16). Hier wird sehr schön deutlich, dass man das, was passiert war, durchaus als Schuld Israels vor Gott interpretieren kann, aber gerade im Bild von der Hurerei kommt der Aspekt der gestörten Beziehung und der verlorenen Ehre noch besser zum Ausdruck. Papst Franziskus trifft diesen Punkt in einem kürzlich veröffentlichten Interviewsehr gut. Er sagt von sich selbst:„Ich sehemeinganzes Leben vor dem Hintergrund des 16. Kapitels des Prophetenbuches Ezechiel. Ich lese diese Seiten und sage mir: Es ist, als wären sie für mich geschrieben worden. Der Prophet spricht von der Scham, und die Scham ist eine Gnade: Wenn jemand die Barmherzigkeit Gottes erfährt, schämt er sich seiner selbst, der eigenen Sünde ... Der Text von Ezechiel lehrt uns, unszuschämen.EreröffnetdenWegzurScham:TrotzunsererGeschichte von Not und Sünde bleibt Gott treu und erhöht uns. Genauso empfinde ich.“(Papst Franziskus: Gottes Name ist Barmherzigkeit. Kösel, 2016) Wichtig ist zu sehen, dass die Scham nicht die Endstation ist. Letztlich ist es Gottes Absicht, dass unsere Beziehung mit ihm wieder gut wird und wir bei ihm zu Hause sein können. Deshalb tut er alles, um uns zu vergeben und uns zu rehabilitieren (vgl. die Wiedereinsetzung des verlorenen Sohnes bei seiner Rückkehr, Lukas 15,22–23). Aspekt 3: Jesus schämt sich nicht für uns – und wir uns nicht für ihn Man kann sich nicht nur vor sich selbst schämen oder vor jemand anderem, man kann sich auch einer Sache oder einer Person schämen. Paulus fordert Timotheus auf, dass er sich nicht für ihn schämt, auch wenn er um des Evangeliums willen im Gefängnis sitzt (2. Timotheus 1,8.12.16). Sich des anderen nicht zu schämen, betrifft aber nicht nur unsere zwischenmenschlichen Beziehungen, sondern auch unsere Beziehung mit Gott. Der Autor des Hebräerbriefes schreibt, dass Jesus sich unser nicht schämt. Er hat uns durch seinen Tod am Kreuz gereinigt, und wir gehören zu seiner Familie. Er nennt uns seine Brüder und Schwestern. Er steht zu uns. Das ist eine gewaltige Aussage! Wir müssen uns vor ihm nicht verstecken (wie einstmals die ersten Menschen nach dem Sündenfall), sondern können offen und frei zu ihm kommen, imWissen, dass wir angenommen und wertgeschätzt sind. Die andere Seite gilt genauso: Paulus schreibt, dass er sich nicht schämt, zu Christus zu gehören, und bereit ist, wenn nötig auch für ihn zu leiden – auch wenn ihm das vielleicht Ansehen und Ehre rauben mag. Ehre bei Gott zu haben ist ihm wichtiger (2. Korinther 5,9). Für Paulus ist das Evangelium von Jesus Christus die eine Kraft schlechthin, die Menschen verändern kann. Es wäre töricht, sich für solch eine gute Nachricht zu schämen (Römer 1,16). Dies gilt auch dann, wenn Menschen für diese Nachricht nur ein müdes Lächeln übrig haben (1. Korinther 1,18). Paulus ermutigt Timotheus, sich nicht für Jesus und ihn, seinen leidenden Boten, zu schämen. Warum? Weil Gott Timotheus, genau wie uns, seinen Heiligen Geist gegeben hat, der uns mutig, stark, liebevoll und besonnen macht (2. Timotheus 1,7). Wir brauchen uns nicht zu verstecken oder zu schämen. Im Gegenteil! Gottes Geist befähigt uns zum freimütigen Zeugnis von Jesus Christus in unserer Welt. MiSSioN weltweit 5–6/2016 es muss als gnade angesehen werden, wenn man sich noch schämen kann, denn darin liegt der erste schritt zur veränderung und zur Heilung von gebrochenen Beziehungen. Simon Herrmann, geb. 1978, verheiratet, drei kinder, seit 2006 Missionar in papuaNeuguinea, zuletzt als Dozent am ecoM Bible training college. Studium am theologischen Seminar der liebenzeller Mission (B.A. theologie) und an der University of papua New Guinea (B.A. education). Momentan Fortbildung am Fuller theological Seminary (kalifornien/USA) zum phD in intercultural Studies. thematisch geht es um die Auseinandersetzung mit traditionellen konzepten von krankheit und Heilung in papua-Neuguinea. Foto: Jonas PÖtZ

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