MISSION weltweit – Ausgaben 2017
15 ecuador darum geht’s mIssIon weltweit 9–10/2017 uns, dass er seit einem Jahr im Gefängnis sei und sieben Jahre bekommen hätte. Der Vor- wurf lautete: Missbrauch einer Minderjährigen. Kevin bestreitet das. Aber das Gerichtsverfah- ren fand, wie bei Minderjährigen hier so üblich, ohne ihn statt. Ich besuche Kevin, so oft ich kann. Er ist dankbar für die Abwechslung. Wir reden über dies und das,tauschenInformationenaus,lesengemeinsam in der Bibel und arbeiten einen Glaubenskurs durch.InsbesondereseinErgehenalsKindbewegt mich sehr. Es hat vielmit derTrennungoder besser gesagt den Trennungen seiner Eltern zu tun. Nicht schlimm für Kinder? Kevin stammt aus einem kleinen Indianerdorf in unserer Nähe und kam als drittes Kind zur Welt. Als er ein kleiner Bub war, verließ die Mutter die Familie wegen eines anderen Mannes. Der Vater, ein landwirtschaftlicher Helfer, musste hart arbeiten, um seine Familie zu ernähren. Er hatte wenig Zeit für die Kinder – schon gar kei- ne, um ihnen zu helfen, die Trennung und den Verlust der Mutter emotional zu verarbeiten. Vielleicht dachte er so wie viele andere Men- schen hier, dass emotional schwierige Situatio- nen für Kinder „noch nicht so schlimm“ seien. Leider sieht die Realität anders aus: Wir haben immer wieder mit Kindern und Jugendlichen zu tun, die aufgrund eines solchen Denkens (und Handelns) regelrecht traumatisiert sind. In Kevins Fall konnte die Großmutter einiges auffangen. Sein Vater hatte die Kinder bei ihr untergebracht, damit sie sich um sie kümmern sollte. Sie war für die nächsten Jahre eine feste Größe in Kevins Leben und ersetzte ihm in vielen Bereichen die Mutter. Diese kehrte nach einigen Jahren zum Ehemann und Vater der Kinder zu- rück. Kevin bekam noch einmal zwei Geschwis- ter, musste aber weiterhin bei der Großmutter leben. Denn an einer Beziehung zu ihren älteren Kindern zeigte die Mutter wenig Interesse. Dann trennten sich die Eltern zum zweiten Mal, dieses Mal für immer. Wieder war es die Mutter, die die Familie verließ. In einer anderen Stadt gründete sie eine neue Familie und bekam ein weiteres Kind. Zu ihren fünf älteren Kindern hat sie bis heute kaum Kontakt. Kevins ältere Schwester Maria musste mit erst 16 Jahren die Mutterrolle übernehmen. Sie kümmerte sich, so gut sie konnte, um ihre Geschwister. Im Großen und Ganzen waren sie auf sich allein gestellt; der Vater war wegen seiner Arbeit viel unter- wegs. Und schließlich musste auch Kevin die Schule verlassen, um als Hilfsarbeiter auf dem Bau Geld zu verdienen. Abladen und heil werden Bis er selbst 16 war und von jetzt auf nachher mit dem Vorwurf des sexuellen Missbrauchs konfrontiert und inhaftiert wurde. Auch wenn er – womöglich unschuldig – im Gefängnis sitzt, hat die Haft für ihn auch positive Seiten. Ke- vin hat einen geregelten (wenn auch manchmal langweiligen) Tagesablauf. Er hat Gespräche mit einem Sozialarbeiter, auch über die Situa- tion mit der Mutter. Und er bekommt die re- gelmäßige Aufmerksamkeit seines Vaters, der ihn jeden Sonntag für einige Stunden besucht. Besonders freut sich Kevin, wenn die Großmut- ter nach ihm schaut. Aber die Mutter lässt sich nicht blicken. Auch wenn er ihr Desinteresse seit Jahren kennt, frustriert und ärgert es ihn bis heute. Ich kann Kevins Gefühle gut nachvollziehen. Er hat ganz bestimmt (s)ein schweres Päckchen zu tragen. Und trotzdem versuche ich, ihm immer wieder zu vermitteln, dass er es nicht festzuhal- ten braucht. Er darf, wie jeder andere auch, sei- ne Last bei Jesus abladen. Das kann in seinem Fall bedeuten, innerlich heil zu werden, indem er seiner Mutter vergibt. Heiko Erndwein l Ehe und Ehescheidung in Ecuador: 72,3 Prozent der bevölkerung des Landes sind römisch-katholisch. In der katholischen Kirche sind sowohl die ehe als auch die abendmahlsfeier sakramente. da eine ehe- scheidung zum ausschluss von der abendmahlsfeier führen würde, versucht ein gläubiger Katholik, diese zu vermeiden. so kann es sein, dass eine ehe nur auf dem Papier weiterbesteht, aber die ehepartner getrennt leben oder mit neuen Part- nern an der seite. alternativ zur scheidung kann man versuchen, die ehe von der katholischen Kirche annul- lieren zu lassen. Zur Kinderstunde in Piaba kommen regelmäßig 50 bis 60 Kinder aus vier Orten. Spielende Quichua-Kinder (ganz links) und junger Quichua-Mann (links) mithelfen: SPENdENCOdE 1640-32 Ecuador FOTOS: HEiKO uNd SiMONE ERNdWEiN
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