MISSION weltweit – Ausgaben 2017
22 ratlos vor dem Islam Nach jedem neuen Attentat, das auf das Konto islamistischer Terroristen geht, war lange Zeit reflexartig zu hören, dass dieser Terror „mit dem Islam nichts zu tun“ habe. Dieser Refrain ist mittlerweile verstummt, weil bestimmte Zu- sammenhänge einfach nicht mehr zu leugnen sind. Gewalt gegen Andersgläubige ist durchaus ein Bestandteil der koranischen Überlieferung. Man kann auch nicht die friedliche „mekkanische Überlieferung“ von der kriegerischen „medini- schen Überlieferung“ im Koran trennen. Suren beider Überlieferungen gehen auf Mohammed zurück. Allerdings ist es umgekehrt wie in der Bibel: Während die Offenbarung Jesu Christi, wie sie im Neuen Testament berichtet wird, das Gesetz Moses heilsgeschichtlich erfüllt, „auf- hebt“ und in einem bestimmten Sinn zu einem Ende bringt („Ihr habt gehört, dass zu den Alten gesagt ist ... Ich aber sage euch ...“, Matthäus 5,21.22), werden im Koran die mekkanischen Texte aus der Frühphase der Wirksamkeit Mo- hammeds von den späteren medinischen Texten aus der Eroberungsphase überschattet. Man wird aber umgekehrt auch nicht sagen können, dass die koranische Überlieferung un- ausweichlich zum islamistischen Terror führt. Das wird durch die weit überwiegende Zahl friedliebender Muslime mehr als deutlich. Aber das Problem bleibt, dass dieser Terror ebenso wie die brutalen Auspeitschungen von Regime- kritikern in Saudi-Arabien oder eben die Ermor- dung von Christen und Angehörigen anderer Religionen rein exegetisch eine durchaus mög- liche Auslegungsvariante des Koran und der islamischen Überlieferung sind. Der Islam ist zutiefst politisch Nicht nur eine mögliche Auslegungsvariante, sondern klare und eindeutige Forderung ist die Unterwerfung auch des politischen Raumes un- ter die Herrschaft Allahs und der Umma, der muslimischen Gemeinde. Eine Trennung zwi- schen Kirche und Welt – wie sie letztlich von Jesus selbst begründet wurde, der seine Jün- ger aufforderte, dem Kaiser zu geben, was des Kaisers ist, und Gott, was Gottes ist (Matthäus 22,21), und dessen Reich eben nicht von die- ser Welt ist (Johannes 18,36) – kennt der Islam nicht. Der Islam ist eine zutiefst politische Reli- gion, der es immer um eine umfassende Durch- dringung aller Lebensbereiche geht. Entspre- chend verbreitete sich der Islam auch weniger durch Missionare oder „Evangelisten“, sondern durch Eroberer und Juristen. In europäischen Rathäusern herrschte lange Zeit die Erwartung und Hoffnung, dass der Islam ei- nes Tages einen ähnlichen Platz in unseren Ge- sellschaften findet wie die christlichen Kirchen. seit den anschlägen auf das World trade center im Jahr 2001 ringt die Welt mit der Frage, ob – und wenn ja, wie – man den Islam in unsere westlichen gesellschaften so integrieren kann, dass die hässliche und bedrohliche Fratze des fanatischen und terroristischen Islamismus verschwindet. Prof. Dr. Volker Gäckle ist verheiratet mit Bettina und Vater von drei Kindern. der frühere Studienleiter für Neues Testament am albrecht-Bengel-Haus in Tü- bingen war ab 2006 direktor des Theologischen Seminars der Liebenzeller Mission. als Professor für Neues Testa- ment ist er seit 2011 Rektor der internationalen Hoch- schule Liebenzell (iHL). ratLos FOTO: iSTOCKPHOTO/PEETER ViiSiMaa FOTO: FaBiaN REiNHaRdT FOTO: SHuTTERSTOCK/aNdREW TayLOR
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