MISSION weltweit – Ausgaben 2017

5 missioN weltweit 1–2/2017 FoToS: EMMI rIEGErT Auf den Straßen Daressalams sieht man viel Elend. Die zerlumpten Bettler kämpfen ums Überleben. Wer nicht laufen kann, rutscht auf der heißen, staubigen Teerstraße zwischen den Autos herum. Blinde lassen sich von Kindern zu den Autos führen. Auch Menschen mit entstell- ten Händen hoffen auf spendierfreudige Fahrer. Behinderte Menschen empfindet man in Tan- sania vielfach als Last, und man will möglichst wenig mit ihnen zu tun haben. In unserer Werk- statt für 13 körperbehinderte Menschen ist das anders: Wir zeigen ihnen, dass sie wertvoll sind für Gott und für uns. Als ich Esther hier zum ersten Mal traf, staun- te ich über ihre fröhliche Art. Die junge Frau beklagt weder ihr Schicksal, noch ist sie bitter – obwohl sie sich ohne Rollstuhl nicht bewe- gen kann und ans Haus gebunden ist, weil die Dreckstraßen mit den Wassergräben große Hin- dernisse sind. Esthers Vater starb, als sie vier Jahre alt war. Das Leid wurde noch größer, als die Verwandten des Vaters dessen Besitz für sich beanspruchten. Der Mutter wurde alles ge- nommen. Sie musste mit ihren vier Kindern bei den Schwiegereltern in Mbeya im Süden blei- ben und sich mit der Suche und dem Verkauf von Feuerholz über Wasser halten. Damals wurde Esther plötzlich krank. Sie fiel ins Koma und wurde auf der Intensivstation acht Monate lang künstlich ernährt und beatmet. Als sie erwachte, hatte sie kein Gefühl mehr vom Bauch an abwärts. Die Mutter brachte Esther in die Kirche, um für sie zu beten. Das Wunder ge- schah: Esther fühlte ihre Beine wieder! Aber sie wuchsen nicht weiter und blieben kraftlos. Nur in der Kirche bekam Esthers Mutter Unterstüt- zung, und dort wurde auch Geld für die Fahr- karten zurück nach Daressalam gesammelt. Der Vater besaß dort ein Zimmer, von dem die gie- rigen Verwandten nichts wussten. Hier konnte die Mutter mit den Kindern bleiben. Der Pastor von Mbeya hatte ihr auch einen Brief an den Pastor in Daressalam mitgegeben. Dieser kann- te eine Internatsschule für behinderte Kinder, und Esther konnte mit sieben Jahren endlich zur Schule gehen. Der Pastor und katholische Schwestern halfen, das Schulgeld aufzubringen, und die Mutter besuchte ihre Tochter oft. Esther lernte im Internat, sich selbstständig zu versor- gen. Sie war eine gute Schülerin. Als die Mutter kein Geld für die Schuluniform an der weiter- führenden Schule hatte und der Lehrer sie des- halb vom Unterricht ausschloss, schrieb Esther den Stoff drei Monate lang von Mitschülerinnen ab, bis sich eine Frau bei der Schulleitung für sie einsetzte. Aber dann starb die Mutter ganz plötzlich. Für Esther folgten vier schwere Jahre. Die Abschluss- prüfung bestand sie nicht, sie hatte sich auf- gegeben. Doch schließlich kam sie in Kontakt mit Missionaren und konnte eine zweijährige Ausbildung zur Sekretärin machen. Ihre Le- bensfreude kehrte zurück. Nach einem guten Abschluss begann sie bei uns in der Werkstatt zu arbeiten. Esther ist unsere Schlüsselfigur, da sie viel weiß, Englisch spricht und Gebärden- sprache beherrscht. Alle schätzen und achten sie. Mittlerweile ist sie verheiratet und hat ei- nen kleinen Sohn. Oft gibt es in unserem Leben Dinge, die nicht so laufen, wie wir es uns vorgestellt haben oder wünschen. Jeder hat seinen eigenen Rucksack zu tragen. Aber Gott streckt uns seine Hand ent- gegen, er bietet uns seine Hilfe an, gerade auch auf den schwierigen Wegstrecken. Nehme ich sein Angebot an und wage Schritt für Schritt, an seiner Hand vorwärtszugehen? Vertraue ich ihm, dass er mein Leben doch noch zum Guten wenden kann? Oder gebe ich auf, weil ich keine Kraft mehr habe, enttäuscht und bitter bin? – Mir ist Esther ein Vorbild geworden, trotz Leid und Not an Gott festzuhalten. Auch wenn das Leben aus mehr Fragen als Antworten besteht! Gott ist da und möchte mit uns durch die guten und die schweren Tage,Wochen und Jahre gehen. Emmi Riegert l Markus und emmi riegert arbeiten seit 1997 in Tansania, zunächst im Missionsflug­ dienst, dann in einem Schüler­ heim für Missionarskinder und einem Projekt für behinderte Menschen in Daressalam. Markus ist Schlosser und Pilot und in Papuaneuguinea aufgewachsen, Emmi ist Haus­ wirtschafterin im ländlichen Bereich und stammt aus der Schweiz. Drei ihrer vier Kinder leben in Deutschland. glücklich im rollstuhl Kann man das sein in einem umfeld, in dem sich der stärkere und mächtigere mehr rechte nimmt und behinderte menschen als last angesehen werden? taNsaNia darum geht’s Esther sagt von sich: „Mir ging es so wie Josef, mir wurde alles genommen. Aber Gott war da. Er hatte einen guten Plan für mein Leben. Gott ist gut zu mir!“ Mithelfen: SPEnDEnCoDE 1749-32 Tansania

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