MISSION weltweit – Ausgaben 2017
25 blick in die welt Ihre Eltern stammen aus Burundi und flohen wegen des ethnischen Konflikts zwischen Hutu und Tutsi in den Kongo. Aber dort konn- ten sie nicht bleiben ... Ja, auch dort gab es Krieg und Angriffe auf die Flüchtlingscamps. Am schlimmstenwar es, als ich mit 13 Jahren in die Heimat meiner Eltern ging. Zum ersten Mal in meinem Leben fühlte ich mich angekommen. Es war fast schon wie im Himmel. Aber nach drei Monaten wurde der Prä- sident ermordet, und der Bürgerkrieg ging los. Auf der Flucht in die Berge wurde ich gestellt und hatte ein Gewehr im Nacken. Mein Freund wur- de getötet, ich dagegen freigelassen. Für mich war das ein Wunder. Aber ich musste weiter fliehen und konnte viele Monate nicht schlafen. Ich habe viel geweint und mit Gott gehadert. Später bekamen Sie in Malawi ein Stipendium für ein Theologiestudium. Wie reagierten Sie? Natürlich war ich sehr dankbar. Aber eigentlich wollte ich Jura studieren und für Gerechtigkeit kämpfen. Ich träumte davon, Präsident zu wer- den und es besser zu machen als alle anderen. Trotzdem studierte ich Theologie, zunächst ohne Berufung – bis Gott mir zeigte, dass ich in seinem Namen für die Gerechtigkeit kämpfen kann. Unser Gott ist ein Gott der Versöhnung. Wenn ich Bibeln verteile und die Menschen da- rin lesen, dann trage ich zur Versöhnung bei! Sie haben die Hilfsorganisation „There is Hope“ (Es gibt Hoffnung) gegründet. Was sind Ihre Wünsche und Ziele? Wir wollen Frieden stiften und schulen Flücht- linge in einem großen Flüchtlingscamp in Mala- wi, in dem 27.000 Menschen leben. Wir beraten malawische Leiter, haben mit einer Bibelschule begonnen und geben auch praktische Kurse. Ihre Frau kommt aus Italien. Was sind die Herausforderungen und Chancen einer inter- kulturellen Ehe? Egal, ob ein Malawier und eine Italienerin oder ein Deutscher und eine Deutsche verheiratet sind: Man muss an der Ehe arbeiten. Florisa und ich haben schon vor der Heirat an unserer Be- ziehung gearbeitet, Ehevorbereitungskurse ge- macht und Literatur gelesen. Dass wir viel mit- einander reden, hat uns immer geholfen, auch als unsere erste Tochter mit 20 Monaten starb. Welche Motive haben afrikanische Flüchtlin- ge, die nach Europa wollen? Über die Motive anderer Menschen könnte ich nur spekulieren. Aber ich kann aus meiner Er- fahrung sprechen. Ich wollte einfach in Sicher- heit leben! In vielen Ländern herrschen Korrup- tion und Willkür. Und als Flüchtling lebt man in ständiger Unsicherheit. Selbst Flüchtlingscamps werden in Afrika häufig angegriffen. 2015 und 2016 kamen sehr viele Flüchtlinge nach Deutschland. Was raten Sie den Menschen hier? Weltweit leben 86 Prozent der Flüchtlinge in Entwicklungsländern. Deutschland ist eines der wenigen Länder in Europa, das seine Verantwor- tung wahrnimmt. Ich verstehe, wenn die Men- schen hier skeptisch sind. Das liegt meistens da- ran, dass es wenige Berührungspunkte gibt. Wer sich die Zeit nimmt, die Geschichten der Men- schen zu hören, wird Mitgefühl haben, denn es sind auch Menschen. Wer, wie viele Deut- sche nach dem Zweiten Weltkrieg, selbst Flüchtling war, hat meistens eine andere Ein- stellung. – Das Gefühl, in einer falschen Welt und an einem falschen Ort geboren zu werden, ist sehr schlimm. Ich hätte mir in mei- nem Leben nichts mehr gewünscht, als in meiner ei- gentlichen Hei- mat leben zu können. l Herzenswunsch: In der Heimat leben Vor 27 Jahren wurde Innocent* Magambi in einer Flüchtlingsunterkunft im Kongo geboren. Dort begann seine Odyssee durch fünf Flüchtlingslager in vier afrikanischen Ländern. Heute lebt der Theologe in Malawi und setzt sich für Flüchtlinge in Afrika ein. Mit ihm sprach Christoph Kiess. * Innocent (englisch) bedeutet „unschuldig“ Innocent Magambi hat 2015 seine Autobiografie „Refugee for Life“ (Lebenslang ein Flüchtling) veröffentlicht. Foto: maria tundu
RkJQdWJsaXNoZXIy NjU1MjUy