MISSION weltweit – Ausgaben 2017

darum geht’s JaPan 12 Lothar und tabea Sommer haben zwei kinder, leben seit 2008 in Japan und arbeiten in einer gemeinde in Yokohama-hongodai. dort sind sie vor allem in der Jugendarbeit eingesetzt und möchten auch Wege zu den menschen finden, die noch keinen kontakt zur gemeinde haben. lothar war vor seiner ausbildung am theologischen seminar der liebenzeller mission krankenpfleger. tabea ist groß- und außenhandels- kauffrau sowie heilerzie- hungspflegerin. Ich erinnere mich an meine erste Autofahrt durch Tokio. In Japan gilt Linksverkehr, und meine größte Sorge war, aus Ver­ sehen auf der falschen Straßenseite zu landen. Mit feuchten Hän­ den und erhöhtem Puls fuhr ich los. Doch schnell wurde mir klar: So schwer ist das ja gar nicht! Nicht, weil ich eh die meiste Zeit im Stau stehe. Die größte Hilfe waren die anderen Autofahrer: Alle fahren so. Ich muss einfach nur hinterherfahren. So in etwa lässt sich die japanische Gesellschaft beschreiben: Der typische Weg ist vorgegeben, und es gilt, in der Spur zu bleiben. In der Regel ist es hier leicht, sich im Leben zu orientieren, zu­ mindest äußerlich. Wer später erfolgreich und ein akzeptiertes Mitglied der Gesellschaft sein möchte, den führt der Weg über die üblichen Stationen: Kindergarten, Mittel und Oberschule, Nachhilfeschule, in der man auf die Aufnahmeprüfungen vor­ bereitet wird, Universität und schließlich in die Firma. Je ange­ sehener die einzelnen Schulen und Universitäten sind, desto besser. Doch nicht alle Japaner fahren in derselben Spur. Dafür sind die Menschen viel zu unterschiedlich, dafür ist die Kultur viel zu facettenreich. Wenn man verstehen möchte, was die Menschen antreibt, den typisch japanischen Weg zu gehen, muss man sich mit dem Konzept des „Bushido“ auseinandersetzen. (Gemeint ist hier nicht der Rapper mit dem Künstlernamen Bushido.) Bushido – der Weg des Samurai Zusammengefasst beschreibt Bushido den Verhaltenskodex zwi­ schen einem Samurai und seinem Herrn. Diese Beziehung ist über Jahrhunderte gleich geblieben und spiegelt sich bis heute in der japanischen Unternehmensführung wie­ der: Die Firma nimmt die Rolle des Herrn ein, der An­ gestellte die des Samurai. Konkret äußert sich Bushido bei den Angestellten in absoluter Treue und Hingabe an die Firma. Überstunden ohne Ende, nur wenige Tage Urlaub im Jahr und buchstäbliches „Arbeiten bis zum Umfallen“ sind nur einige Aspekte. Im Ge­ genzug zeigt die Firma ihre Wertschätzung und Fürsorge, beispielsweise durch lebenslange An­ stellung und Versorgung im Alter. Das staatliche Rentensystem bietet lediglich eine Grundversor­ gung. Die Firmen übernehmen deshalb den größ­ ten Teil der Altersversorgung. Traditionelle Werte wie Aufrichtigkeit und Ehre sind seit jeher von größter Wichtigkeit und werden an die nächsten Generationen weiter­ gegeben. Gerät ein Jugendlicher vom rechten Weg ab, so sind Sätze wie „Man wird dich aus­ lachen!“ oder „Schämst du dich nicht?“ oft die letzten Versuche, ihn wieder auf den richtigen Weg zu bringen. Besonders, weil das Fehlver„die arme Frau“, denke ich und leide innerlich mit. Vor mir fährt eine Fahrschülerin neben ihrem Fahrlehrer. im schritttempo geht es um kurven und über kreuzungen. ich kann die unsicherheit förm- lich spüren. „bloß nichts falsch machen, bloß in der spur bleiben.“ aus gutem grund steht gut lesbar auf der heckscheibe: „entschuldigen sie bitte die unan- nehmlichkeiten, die wir ihnen bereiten.“ Jugendliche in Tokio in der spur bleiben b Häusermeer der Metropole Tokio

RkJQdWJsaXNoZXIy NjU1MjUy