18 darum geht‘s Wir sind Gemeinschaftswesen, geschaffen zur Gemeinschaft mit Gott und zur Gemeinschaft mit unseren Nächsten. Zwischen diesen beiden Ebenen der Gemeinschaft gibt es einen großen Zusammenhang – die Störung in der „vertikalen“ Beziehung bringt eine Störung in den „horizontalen“ Beziehungen. Kurz nach dem Sündenfall folgt der Brudermord. In anderen Worten: In einer von Gott abgefallenen Schöpfung ist auch das Verhältnis der Geschöpfe untereinander gestört. Es gibt „laute“ Störungen der Beziehungen: Menschen, die andere bekriegen und hassen, belügen und betrügen, verletzen und verachten – diese Folgen des Gefallenseins sind offensichtlich. Weniger offensichtlich, aber genauso schädlich, sind die „leisen“ Störungen: Rückzug, Isolation, Entfremdung, Einsamkeit. Als Humanwissenschaftler bin ich beeindruckt beziehungsweise schockiert, inwelchemAusmaßdie Entfremdungmenschliches Leben schädigt: Freude, Liebe, seelische und körperliche Gesundheit, Aktivität, Genuss, Kreativität, Intelligenz, berufliche und private Erfolge, Erziehung – alles wird erheblich beeinträchtigt, wenn wir einen Mangel an echten, sinnstiftenden Beziehungen erleben. Dazu kommt: Einsamkeit ist ansteckend! Viele einsame Menschen zusammen sind noch viel einsamer als ein Einsamer alleine. Nehmen wir zum Beispiel das anonyme Zusammenleben in einer städtischen Wohnsiedlung: Da kann jemand Wochen tot in der Wohnung liegen, bis der Gestank die Nachbarn alarmiert. Und die Befunde zeigen, dass diese dadurch gar nicht übermäßig betroffen sind. Der andere Mensch wird in solchen Massensiedlungen als Störung oder Bedrohung erlebt, eine positive emotionale Verbindung unterbleibt. Der Theologe und Psychiater Manfred Lütz berichtet, dass ihm bei den Nachbarn der einsam Verstorbenen behandlungsbedürftige Krisen aufgrund solcher Ereignisse unbekannt seien – wehe aber, wenn in der Fernsehserie „Lindenstraße“ ein fiktiver Charakter das Zeitliche segnet. Dann seien in der Psychiatrie Notaufnahmen mit akuten Krisen zu verzeichnen. Alleinsein und Einsamkeit sind zwei völlig verschiedene Dinge Klar, wer immer allein ist, wird auch einsam. Aber das wunderbare Gefühl, bei Sonnenaufgang allein auf dem Gipfel eines Berges den Blick in die Täler darunter zu genießen, kann ein Höhepunkt sein. Dagegen ist die Entfremdung mitten im Gewimmel fast nicht auszuhalten. Eine Masse Leute, von denen mir keiner etwas bedeutet und ich ihnen auch nicht, ist ein enormer Stressor. Interessanterweise zeigten Forschungen, dass dieses Einsamkeitsgefühl im Gehirn genau die gleichen Reaktionen auslöst, wie starker Schmerz oder lebensbedrohliche Situationen. Wir sind halt nicht für eine Welt geschaffen, in der man nur etwas Geld braucht, um sich im Supermarkt in jeder Jahreszeit mit Brot, Obst, Gemüse und Fleisch zu versorgen, ohne dabei selbst Teil einer landwirtschaftlichen Gemeinschaft oder Jagdgesellschaft gewesen zu sein. In der Menschheitsgeschichte waren wir für das Leben immer auf die Gemeinschaft angewiesen. Unser Gehirn weiß von unserer neuen Autonomie aber noch nichts, sondern funktioniert wie in der Steinzeit auch. Etwas flapsig ausgedrückt: Wer nicht dazugehört, nimmt an der Jagd nicht teil weiterdenken >> sonderbeitrag von prof. dr. ulrich giesekus 1 https://www.focus.de/gesundheit/ratgeber/psychologie/gesundepsyche/ wissen-einsamkeit-ist-das-neue-rauchen_id_883755.html Einsame Spitze .. . … sind viele Menschen in unserer Welt. Sie sind gut ausgebildet, mehr oder weniger wohlhabend, kennen sich aus. Gehen in die Kirche, lesen Zeitung, gehen zur Arbeit. Und sind dabei doch unglücklich, frustriert und: einsam. In einer von Gott abgefallenen Schöpfung ist auch das Verhältnis der Geschöpfe untereinander gestört. Sonder- beitrag von Prof. Dr. Ulrich Giesekus und bekommt auch von der Beute nichts ab. Einsam kann man in der Natur keinen Winter überleben, wir brauchen die Sippe. Ohne sie werden wir erfrieren oder verhungern und können uns nicht gegen Angriffe wehren. Daher ergibt es hirnphysiologisch gesehen Sinn, dass Einsamkeitsgefühle hohe Stresspegel – „Achtung Lebensgefahr!“ – mit sich bringen. Einsamkeit macht krank Diese Stressoren schütten Hormone aus, die unsere Gesundheit bedrohen. Es gibt große Studien, die zeigen, dass dauernde Einsamkeitsgefühle ein größeres Sterberisiko mit sich bringen als 15 Zigaretten am Tag.1 Und wenn man früher dachte, dass Einsamkeit primär eine Folge körperlicher und seelischer Störungen wäre, wissen wir heute: Es ist genau andersherum. Einsamkeit
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