18 darum geht‘s „Bin ich überhaupt Christ? Will nicht sterben! Will nicht in den Himmel. Will erst recht nicht in die Hölle.“ So beginnt ein amüsanter und sehr ehrlicher Eintrag im „Tagebuch eines frommen Chaoten“ (Adrian Plass), der meines Erachtens ziemlich genau und ungeschminkt das „Dilemma“ der Ewigkeit für viele Christen auf den Punkt bringt: Es hat etwas mit Sterben und Tod zu tun. Und als ob das nicht schon reicht, taucht auch noch drohend und unerwünscht am (hoffentlich noch weit) entfernten Horizont der Gedanke der Hölle auf. Ewigkeit und Himmel also im besten Falle als Plan B, weil nämlich die erste Option, Plan A (Ewige Jugend und Unsterblichkeit hier in diesem Leben), offensichtlich nicht klappt. Und wenn schon tot, dann doch lieber Himmel als Hölle. Diese Gedanken, die Adrian Plass auch in seinem Buch anklingen lässt, mögen auf den ersten Blick (zu) salopp wirken, aber in ihrem Kern rühren sie doch etwas an, das viele von uns beschäftigt und zwar mehr, als es uns vielleicht selbst bewusst ist: Bin ich nicht ein schlechter Christ, wenn ich so wenig mit der Ewigkeit anfangen kann, obwohl es doch der Ort ist, wo ich einst mit Gott vollkommen vereint sein werde und ich eigentlich mit überschäumender Vorfreude mich ständig nach der Ewigkeit sehnen sollte? Kaum Auswirkungen trotz zentraler Bedeutung Es gibt wohl kaum ein Thema, dem so eine zentrale Bedeutung zugesprochen wird in der Theorie unseres christlichen Glaubens – und das gleichzeitig so wenig Relevanz und Auswirkungen auf unseren Lebensalltag zu haben scheint wie die Ewigkeit bzw. der Gedanke an das Jenseits/Himmel/Paradies/Leben nach dem Tod. An fehlenden akademischen Auseinandersetzungen mit dem Thema kann es nicht liegen, denn die Suche nach dem, was Ewigkeit ist und was sie ausmacht, hat durch die Geschichte hindurch zahlreiche Philosophen und Theologen, unter anderem auch Größen wie Platon, Aristoteles, Augustin, Boethius, Anselm, Aquin, Locke, Kant, Cullmann und viele mehr beschäftigt.1 Und die metaphyweiterdenken >> sonderbeitrag von prof. dr. mihamm kim-rauchholz sischen Abhandlungen über die Frage nach dem Wesen und der Definition von Ewigkeit (und Zeit) füllen bis heute zahlreiche Regale. Ob Ewigkeit dabei als Ganzheitlichkeit, Vollkommenheit, Zeitlosigkeit, Unendlichkeit oder auch als „unendliche Zeitlichkeit“2 quantitativ oder als ein Seinszustand gedacht und beschrieben wird – gleichbleibend ist, dass sie als eine abstrakteGrößewahrgenommenundauch so dargestellt wird. Grundsätzlich nicht greifbar, statisch, jenseits der menschlichen Vorstellung, im Widerspruch zur Zeit und Welt, vage ... und damit für den irdischen und vor allem zeitlich begrenzten Menschen nicht fassbar. Die tiefe Sehnsucht nach dem Vollkommenen, Unversehrten, Ewigen Nun ist es ein Charakteristikum der Religion, dass sie das menschliche Herz auf das ausrichtet, was von Dauer ist. Mit den Worten des Predigers in 3,11: Ewigkeit, die uns ins Herz gelegt worden ist.3 Der bekannte britische Journalist und Autor Malcolm Muggeridge schreibt zur Ewigkeit: „Time is, for us, a prison, and eternity the light we peer at through the bars.“4 (Zeit ist für uns ein Gefängnis, und Ewigkeit das Licht, auf das wir durch die Gitterstäbe schauen.) Und vielleicht ist es ein Ausdruck dieses menschlichen Spähens auf die Ewigkeit, wenn Schauspieler „verewigt“ werden mit einem Stern auf dem Hollywood Boulevard, wenn eine Mode als „zeitlos“ gepriesen wird, wenn ein Sänger sich mit einem Hit „unsterblich“ macht, wenn Menschen sich „ewige“ Liebe und Treue schwören und große Werke und Gedanken „für die Ewigkeit“ bestimmt sein sollen. Wir, die wir alle leiden unter der Zerbrechlichkeit und Vergänglichkeit unseres Lebens, das sichtbar wird in dem unaufhaltsamen Zerfall und der Verwundbarkeit unseres Körpers und unserer Sinne, tragen in uns eine tiefe Sehnsucht nach dem, was vollkommen ist, unversehrt und ewig. Der irdische Leib und seine Vergänglichkeit Von dieser Sehnsucht spricht auch der Apostel Paulus in 2. Korinther 5,1–10, indem er unseren irdischen Körper mit einem Zelt, mit einer Hütte vergleicht, die langsam aber unausweichEr hat die Ewigkeit in ihr Herz gelegt ... Prediger 3,11 Sonder- beitrag von Prof. Dr. Mihamm Kim-Rauchholz
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