MISSION weltweit – Ausgaben 2019

6 darum geht’s malawi Das Bild der sich alles unterwerfenden Europäer hat sich bis heute gehalten. Der Eindruck, dass Missionare immer auch mehr oder weniger die Handlanger ihrer Kolonialmacht waren. Und gleichzeitig wird die Überzeugung vertreten, dass die Einheimischen ja eigentlich völlig glücklich und zufrieden im Einklang mit der Natur leben. Dass viel Schlimmes geschehen ist, als man Südamerika und später Afrika „im Namen des Christentums“ einnahm, ist unbestritten. Aber woher kommt diese Auffassung, dass die Bewohner dieser Länder glücklich lebten, bis die westliche Kultur alles „kaputt machte“? Die Spurensuche reicht ins Zeitalter der Romantik (ca. 1770 bis 1870). Die Industrialisierung Europas führte zu großen gesellschaftlichen Umbrüchen, Landflucht, Arbeiterkolonien um die Fabriken und ersten Anzeichen von Umweltverschmutzung in den Industriezentren. Die (subjektiv wahrgenommene) vormalige Geborgenheit und Freiheit im dörflichen Leben wurde durch die Enge und Ausbeutung der oft in Elendsvierteln der Städte lebenden Fabrikarbeiter abgelöst, den Sklaven des Kapitalismus. Und da entstand das Bild vom „edlen Wilden“. Die Kritik an der eigenen Kultur wurde durch die einseitige Verklärung der fremden Kultur ausgedrückt. Die Völker, die scheinbar diese Ursprünglichkeit und Freiheit von kapitalistischen Zwängen noch hatten, wurden zum Vorbild. In der Tagespolitik wurde Afrika in Kolonien aufgeteilt. Schwarze Menschen stempelte man als zweitklassig ab. Aber in der Ideologie der Romantik deklarierte man dieselben Menschen als edel, ursprünglich, frei, im Einklang mit der Natur lebend. Nicht als Kritik am Kolonialismus, sondern als Kritik an dem Wandel, der in Europa neue Zeiten anbrechen ließ. In Deutschland war es Karl May, der wohl die bekanntesten Bücher der Romantik zu Papier brachte: Winnetou, der edle Wilde. Der unverdorbene Mensch, wie er sein und leben sollte. Er war frei, unverfälscht, echt, mit sich und der Umwelt versöhnt. Dieses Bild hat sich interessanterweise bis heute gehalten. Leider erleben wir das so überhaupt nicht Nennen wir sie Chimwemwe. Nachdem ihr Onkel mit dem Onkel ihres künftigen Mannes alles arrangiert und drei Kühe als Brautpreis die Seite gewechselt hatten, stand der Hochzeit nichts mehr im Wege. Chimwemwe und Kondwani waren glücklich miteinander. Zwei Kinder waren bereits geboren, als Kondwani bei der Arbeit tödlich verunglückte. Mit einem Schlag war das Glück vorbei. Der Brautpreis bedeutet ein Stück weit: Die Frau bzw. ihre Arbeitskraft gehören der Familie des Mannes. Chimwemwe konnte nicht einfach weggehen, ohne zu riskieren, dass Kondwanis Angehörige die Kühe zurückfordern. Auch die Kinder gehören ihrer Schwiegerfamilie. Diese hatte auch einen Plan: Sie heuerten einen Mann an, der Geschlechtsverkehr mit ihr haben sollte, um sie rituell vom Geist des Verstorbenen frei zu machen. Und danach sollte sie die zweite Frau ihres Schwagers werden. Chimwemwe wollte weder die rituelle Reinigung über sich ergehen lassen noch Zweitfrau werden. So blieb ihr nur die Flucht. Ohne die Kinder. Und im Wissen, dass sie möglicherweise ihre eigene Familie vor den Kopf stößt, weil diese den Brautpreis nicht zurückzahlen kann oder will. Chimwemwe hat inzwischen in der Hauptstadt Fuß gefasst und ein neues Leben Paul und Dorothe Kränzler sind seit März 2016 erneut in Malawi im Einsatz und neben der Teamleitung in der Gemeindegründung unter den Yao tätig. Sie haben zwei erwachsene Kinder. Paul ist Industriekaufmann und hat die Ausbildung am Theologischen Seminar der Liebenzeller Mission absolviert. Dorothe ist Schreinerin. Von 1988 bis 2006 arbeitete Familie Kränzler in Afrika, zunächst in der Gemeindegründung in Liberia und Guinea, dann von 1993 an in verschiedenen Aufgaben in Malawi: Aufbau und Leitung des Chisomo-Zentrums, Mitarbeiterschulung, Aidswaisenprojekt, Bibelschulunterricht. Von 2006 bis 2015 waren Paul und Dorothee in der Gemeindearbeit in Salzburg/Österreich tätig. Kulturzerstörer und Überstülper? „Missionare zerstören die Kultur der einheimischen Völker“, „Missionare stülpen den Leuten das Christentum über.“ Solche oder ähnliche Vorwürfe hört man als Missionar im Reisedienst von gutmeinenden Menschen. Wenn man nachfragt, was genau gemeint ist, werden in der Regel Beispiele aus der spanischen Eroberung Südamerikas genannt. Viele Malawier leben nicht mehr im Busch, sondern sind im 21. Jahrhundert angekommen.

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