MISSION weltweit – Ausgaben 2019

21 das emPFehlen wir mission weltweit 5–6/2019 Warum sollte es gegenüber Menschen, die im Namen des Evangeliums, im Namen der Liebe Gottes, ihre Heimat verlassen und anderen in Wort und Tat helfen, irgendwelche Vorurteile geben? Und wenn ja, sind das dann nicht nur „Vor“-Urteile, also Urteile, die gar nicht begründet sind, sondern aus einer von vornherein ablehnenden Haltung gegenüber christlicher Mission heraus resultieren? Ich habe einige dieser Vorurteile genauer angeschaut. Beim Nachdenken musste ich feststellen, dass manche der negativen Aussagen gegenüber Mission hinsichtlich meiner persönlichen Arbeit in der Gemeindegründung in Japan nicht ganz so einfach von der Hand zu weisen sind. In meinem Missionsdienst habe ich manche Vorurteile, ohne es zu wollen, bedient. Doch sollen wir Mission lassen, weil die Kritiker in manchen Punkten recht haben? Auf gar keinen Fall! Aber es lohnt sich doch, manches Vorurteil zu hören und sich selbst kritisch zu hinterfragen. Im Folgenden werde ich vier Kritikpunkte gegenüber der Mission zur Sprache bringen. Manche kommen aus den Reihen der Kirchen, manche stammen von Menschen, die mit dem christlichen Glauben weniger verbunden sind. 1. „Lasst den Menschen doch ihre religion, die sind auch glücklich ohne euch!“ Dieses Vorurteil setzt voraus, dass Mission zuerst darauf abzielt, die Menschen glücklich zu machen. Der Missionar als „Glücksbringer“, der den Menschen, die in tiefer Not und Verzweiflung stecken, nun eine Formel bringt, die wirklich hilft. Ich gebe zu: In vielen Vorträgen über unsere Arbeit habe ich versucht, die Situation der Menschen so darzustellen, dass sie dunkel und hoffnungslos wirkt – unglücklich eben. Viele Flyers von Missionsgesellschaften verstärken diesen Eindruck. Sie zeigen traurige Kinder, die den Betrachter verlangend anschauen. Wenn wir nicht helfen, dann bleiben diese Kinderaugen traurig. Wenn man tiefer darüber nachdenkt, ist das nicht selten auch eine Marketingstrategie. Für glückliche Kinder würde ja auch niemand spenden ... Es stimmt tatsächlich: In Japan habe ich viele Menschen kennengelernt, die sich selbst als glücklich und zufrieden bezeichneten, auch ohne den christlichen Glauben zu praktizieren. Religion gibt dem Menschen sehr viel, auch der Buddhismus, auch der Islam. Religion beantwortet die Sinnfragen der Menschen, gibt ihnen Struktur und Orientierung. Dazu kommt, dass jede Religion eine soziologische Funktion hat, sie stiftet Identität und Gemeinschaft. In Japan konnte ich das in den Schreinfesten, den matsuri, immer wieder beobachten. Unsere Nachbarn hatten dabei eine richtig gute Zeit! Kurzum, es stimmt: Religion macht glücklich. Doch meines Erachtens begreift dieses Vorurteil den Inhalt der Mission falsch. Mission im Sinne des Neuen Testaments tauscht nicht einfach nur eine Religion gegen eine andere aus. Das braucht niemand! Damit ist wirklich niemandem geholfen. Das „Christentum“, als Religion verstanden, macht nicht mehr oder weniger glücklich als jede andere Religion. Der Gegenstand unserer Verkündigung ist aber, dass Jesus Herr über die Religionen ist. Das „Christentum“ mag den Religionen gegenüberstehen und auf Augenhöhe mit ihnen sein. Jesus Christus steht den Religionen nicht gegenüber! ER ist ihr Herr. IHM ist gegeben alle Macht im Himmel und auf Erden (Matthäus 28,18–20). Das heißt: Jesus ist der Herr über den Buddhismus, den Islam, den Satanismus und auch, ja, über das Christentum. Mission bedeutet in erster Linie nicht, Menschen glücklich zu machen. Mission bedeutet, Jesus von Nazareth als den, der er ist, zu verkündigen, nämlich als Herrn. Dass Menschen auch glücklich werden, wenn sie Jesus als ihren Herrn anerkennen, ist eine schöne Begleiterscheinung. Aber im Neuen Testament erfahren wir mehr darüber, dass Menschen in Schwierigkeiten und Probleme kamen, sobald sie Jesus als Herrn akzeptierten. Beispiele sind der geheilte Blindgeborene (Johannes 9,22.34), Lazarus (Johannes 12,10f) und Obere aus dem Volk (Johannes 12,42). Glücklich zu werden ist vielmehr ein Streben unserer westlichen Kultur. Ich muss also achthaben, dass das Streben nach Glück, das in meiner Kultur einen hohen Wert besitzt, nicht auch meine Vorstellung von Mission beeinflusst. Dass das kulturelle Umfeld die Vorstellung von Mission beeinträchtigt, sieht man auch im nächsten Vorurteil: 2. „woher willst du wissen, dass Jesus wirklich der einzige weg zum Leben ist?“ Christliche Mission begründet sich ja letztlich darin, dass ich davon überzeugt bin: Es gibt keinen anderen Weg zu Gott, in den Himmel und zum ewigen Leben als die Person Jesus Christus. Wenn die anderen Religionen gleichwertige Heilswege sind, dann ist Mission obsolet (veraltet, nicht mehr üblich) – dann brauchen wir sie nicht. Dann kann jeder nach seinem Gutdünken selig werden. Wichtig wäre dann nur, dass die Menschen auch „erlöst aussehen“.1 In der Ringparabel aus Lessings „Nathan der Weise“ mussten die Söhne durch ihre eifrige Liebe zeigen, wer den echten Ring besitzt. Da aber der echte Ring, die wahre Religion, verloren gegangen ist, bekamen die drei Söhne den Auftrag: „Wohlan! Es eifre jeder seiner unbestochen von Vorurteilen freien Liebe nach!“2 Wenn ich mit diesen Maßstäben an die Sache herangehe, dann muss ich zugeben, dass der Glaube an Jesus keinen Absolutheitsanspruch verdient. Man sieht eben nicht immer erlöst aus, und es fehlt nicht selten an Eifer, der von vorurteilsfreier Liebe geprägt ist – Merkmalen, die ich bei Menschen anderer Religionen immer wieder entdeckt und bewundert habe. In Japan war ich das eine oder andere Mal sehr erstaunt über die Selbstlosigkeit von missionarischen Buddhisten, die mir sagten: „Wir wollen, dass alle Menschen das Glück finden, das wir gefunden haben.“ Selbst Wunder und Heilungen hatten diese Menschen zu bieten. Frau Shitayama3 hat mir immer wieder versichert, dass der von ihr praktizierte Buddhismus sie von Krebs geheilt hat. Diese Menschen haben eine Religion, die funktioniert, die attraktiv ist, und sie sind davon genauso überzeugt, wie ich es von Jesus bin. Warum dann Jesus? Warum Mission? Sind diese Fragen unserer Zeitgenossen nicht berechtigt? Ist Jesus nicht viel zu aggressiv, wenn er absolut von sich selbst sagt: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben, niemand kommt zum Vater außer durch mich“ (Johannes 14,6)? Diese Stelle macht deutlich, dass ich Jesus nicht neutral oder gleichgültig gegenüberstehen kann. C. S. Lewis hat einmal gesagt: „Ein Mensch, der solche Dinge wie Jesus weiterDenKen >> SoNDErBEITrAG VoN dr. toBias sC uCKert FoTo: VroNI urSCHITZ 1 P. Knitter, Introducing Theologie of Religion, Maryknoll, 2002, 60. 2 G.E. Lessing, Nathan der Weise http://www.teachsam.de/deutsch/d_literatur/d_aut/les/les_dram/les_nathan/nathan_text/ les_nathan_txt_3.7.htm (abgerufen am 4.2.2019). 3 Name geändert.

RkJQdWJsaXNoZXIy Mzg4OTA=