MISSION weltweit – Ausgaben 2020

7 Japan darum geht’s mission weltweit 7–8/2020 Lothar und Tabea Sommer leben seit 2008 in japan und waren bisher in einer großen gemeinde in Yokohama- hongodai im Einsatz, vor- wiegend in der jugendarbeit. im sommer 2020 beginnen sie eine gemeindegründung in inagi, einem wachsenden Vorort tokios. Lothar war vor seinem B.A.-theologiestudium in Bad Liebenzell kranken- pfleger, tabea ist groß- und Außenhandelskauffrau sowie heilerziehungspflegerin. Die beiden haben zwei kinder. die liebenzeller mission beginnt im herbst 2020 eine neue Gemeindegründung in inagi . in diesem Vorort tokios entsteht ein großes Wohngebiet, viele menschen ziehen zu. außer Familie sommer engagieren sich andreas und rahel gross (neben der teamleitung) sowie stefan und lara degler (neben ihrem sprachstudium) in der neuen arbeit. Dann stand ein mehrjähriger Aufenthalt in Moskau auf dem Plan. Erst drei Jahre zuvor war die Sowjetunion zerfallen. Vieles befand sich noch im Umbruch. Anfangs besuchte ich dort keine rich- tige Kirche, sondern traf mich mit anderen Ausländern und Missionaren in einer großenWohnung. Die Behör- den wurden mit der Zeit sehr misstrauisch und später erfuhren wir, dass sie die Gespräche heim- lich abhörten. Hier in Moskau schenkte ich Jesus mein Herz ganz, endlich! Nie zuvor spürte ich so eine unglaubliche Freude. Dass für mich ein neu- es Leben begonnen hatte, merkte meine Familie schnell. Wenn mein Mann gefährliche Reisen unternehmen musste, wollte er manchmal, dass ich für ihn bete! Auch die Zeit in Russland ging irgendwann zu Ende. Wir entschieden uns, in die Nähe unserer jetzigen Gemeinde in Hongodai zu ziehen. In die- ser Kirche schlugen mein Sohn Keita und ich star- ke Wurzeln. Während mein Mann und ich dann immer wieder berufsbedingt an verschiedenen Orten lebten, blieb unser Sohn in Hongodai. Kei- ta reifte zu einem Leiter, der viele Jugendliche prägen durfte. Er war jemand, der wirklich „mit den Lachenden lachen und mit den Weinenden weinen“ konnte. Auf stürmischer See getragen Im Februar 2019 entschied ich mich, für einige Wochen nach Japan zu kommen. Das war ur- sprünglich nicht vorgesehen gewesen, stellte sich aber im Nachhinein als Gottes guter Plan heraus. Am Morgen des 8. Februar war ich gerade mit dem Zug unterwegs, als eine Mitarbeiterin unse- rer Gemeinde anrief. Keita sei nicht zur Arbeit erschienen. Jemand sei schon zur Wohnung gefahren, um nachzuschauen – und sie hätten wohl auch einen Krankenwagen gerufen. Das war alles. Ich stieg am nächsten Bahnhof aus und fuhr mit dem nächsten Zug zurück. Dabei hatte ich irgendwie den Ein- druck, dass Keita gestorben ist. Erschrocken sagte ich zu Gott: „Auch wenn es so sein sollte – du machst keine Fehler“. Innerlich begann ich aber schon zu kämpfen und nach dem Warum zu fragen. – Dann bekam ich die traurige Nachricht und Gewissheit: Kei- ta starb mit gerade mal 31 Jahren an plötzli- chem Herzversagen. In dieser schlimmen Zeit erlebte ich die Gemein- de als Familie. Viele Menschen beteten für mich. Wenn ich am Boden lag, half mir das, wieder aufzustehen. Ich bin dankbar, dass nach Keitas Tod mein Herz bewahrt blieb. Es ist für mich unbegreiflich, dass ich bis heute nicht mit Gott gehadert habe. In der ganzen Trauer habe ich in meinem Herzen nie eine ganz tiefe Dunkelheit verspürt. Was mich trägt, ist die Gewissheit, dass Gott einen perfekten Plan hat. Ich könnte es nicht ertragen, wenn Keita nicht an Jesus geglaubt hätte. Aber sein Glaube hilft mir jetzt. Es tröstet mich zu wissen, dass mein Sohn bei Jesus ist und ich ihn wiedersehen werde. kompass Ich rate Menschen, die Schweres durchmachen, „mit Gottes Plan zu laufen“. Es ist wichtig, lang- sam zu machen. Es hilft nicht, zu schnell vorzu- preschen. Ich habe ein Jahr lang keine Dienste in der Gemeinde übernommen; das war gut so. Durch dieses schwere Erlebnis ist mein Glaube natürlicher geworden. Ich darf mein Herz ehr- lich vor Gott ausschütten. Die Bibel ist für mich wie ein Kompass, der mir die richtige Richtung zeigt. Der Vers „Wir wissen aber, dass denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Besten dienen“ (Römer 8,28) hat jetzt eine viel tiefere Bedeutung für mich. Ich kann von Herzen sagen: „Gott ist gut. Er macht keine Fehler.“ In den Gesprächen mit Kieko hat es mich sehr bewegt, wie ihr Glaube über die Jahre an Tiefe gewonnen hat und sie Schweres tragen kann. Nicht alle Ratschläge von christlichen Freunden nach Keitas Tod waren hilfreich – manche sogar „daneben“. Aber durch den Glauben hat Kieko genau das richtige Maß an „Ballast“ bekommen. Dadurch hat ihr Leben auch in stürmischen Zei- ten die nötige Stabilität. Lothar Sommer l Keita war ein fröhlicher Mitarbeiter in der Gemeinde in Hongodai. An einer Wand haben Keitas Eltern Erinnerungen an ihren Sohn festgehalten. Fotos: LothAr soMMEr

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