MISSION weltweit – Ausgaben 2020
9 mission weltweit 7–8/2020 interKulturelle teams deutschland darum geht’s teil. Etliche, die in letzter Zeit nicht mehr gekom- men waren, waren plötzlich wieder „da“. Auch viele Christen aus anderen Städten schalteten sich über den zuvor über WhatsApp verteilten Zugang hinzu und konnten beim Gottesdienst dabei sein, ohne ihre Wohnung zu verlassen. Im Anschluss an die Gottesdienste wurde jedes Mal eine Zeit des Austauschs in virtuellen Kleingrup- pen angeboten, in der die Teilnehmer miteinan- der über das Gehörte sprachen. Immer gab es viel zu reden – wen wundert es, wenn man wochenlang isoliert leben muss! Sogar das Abendmahl wurde über das Internet gefeiert: Unter der Leitung des am Bildschirm präsenten Pastors brach jeder selbst zu Hause sein Brot und trank den Traubensaft. Und doch: Trotz allem technisch Möglichen fehlte es am Ende an echter Anteilnahme und Nähe. Eine virtuelle Gemeinde hat manches für sich. Sie ist aber keine Dauerlösung und kein Ersatz für ein herzliches Miteinander von Ange- sicht zu Angesicht! Es fehlt die Möglichkeit für spontane Gespräche, für den ermutigenden Hän- dedruck, für das gemeinsame Mittagessen. Und so sehnten sich alle danach, dass wir uns bald wieder als Brüder und Schwestern im realen Leben begegnen konnten. Klaus-Dieter Volz l Foto: AtELiEr ArnoLD/ccVision Foto: picturE-ALLiAncE Foto: kLAus-DiEtEr VoLZ Sorgen und Spott Hier in der chinesischen Gemeinde merkten wir Anfang Februar, dass aufgrund der Sorge vor Ansteckung vor allem Familien mit Kindern den Gottesdiensten fernblieben. Immer wieder erzählten Studenten, dass sie von deutschen Mitbürgern spöttisch belächelt wurden, wenn sie in der Öffentlichkeit mit Masken unterwegs waren. Sie mussten Bemerkungen hören wie: „Hier kommt eine chinesische Virusschleuder.“ Doch ihre Angst vor Ansteckung war zum Teil einfach darin begründet, dass viele schon ähnli- che Katastrophen in China erlebt hatten! Virtuelle Treffen Um eine mögliche Ansteckung der aus China zurückkehrenden Studenten zu vermeiden, beschloss die Leitung der chinesischen Gemein- de Karlsruhe, ab März alle Versammlungen bis auf Weiteres einzustellen und sich nur noch über das Internet zu treffen. Auch die meisten anderen chinesischen Gemeinden in Deutsch- land gingen diesen Weg. So konnten die Gemein- deglieder weiterhin an ihren gewohnten Treffen wie Hauskreis, Frauen- und Männerkreis sowie Studenten- und Gebetskreis teilnehmen. Auch die „Eins-zu-eins-Bibellese-Tandems“ wurden weitergeführt. Wir stellten interessante Veränderungen fest: Die Online-Gespräche verliefen oft viel intensi- ver, und mancher Gesprächspartner war plötz- lich eher bereit, von seinem aktuellen Ergehen zu erzählen. In Krisenzeiten ergaben sich tiefere geistliche Gespräche. Bei vielen war eine Art „Untergangsstimmung“ zu spüren, sie fühlten sich zu Hause „gefangen“. So waren die tägli- chen ermutigenden Botschaften unserer chinesi- schen Kollegen eine wohltuende Stärkung, um im Glauben, in der Hoffnung und in der Liebe nicht nachzulassen und offene Augen zu haben für Menschen in Not. krisen bergen Gelegenheiten In einigen Städten in Deutschland führten chine- sische Studenten – gerade angesichts der Diskri- minierungen, die sie aufgrund ihrer Herkunft erlebt hatten – Einkaufsaktionen für ältere deut- sche Nachbarn durch und setzten ein Zeichen für die Liebe Gottes. Und wenn sie die volle Ein- kaufstasche mit der bestellten Ware vor die Tür des Nachbarn stellten, lag oft noch ein deutsches christliches Traktat dabei. Auch die Gottesdienste mit Lied und Liturgie fanden wochenlang virtuell im Internet statt. Nicht selten zählten wir in der Teilnehmerliste der Übertragungssoftware fast 50 live zuge- schaltete Nutzer. Sie nahmen entweder über Smartphone, Tablet oder Notebook, oft als Ehe- paare oder ganze Familie, per Video und Ton oder nur „stummgeschaltet“ am Gottesdienst klaus-dieter und erika Volz haben zwei erwachsene söhne, waren von 1993 bis 2009 Missionare in taiwan und arbeiten seit 2009 unter chinesen in Deutsch- land. klaus-Dieter leitet die „interkulturellen teams“ der Liebenzeller Mission. Er ist als Missionarskind in papua- neuguinea aufgewachsen. Erika ist Bankkauffrau. Beide haben die Ausbildung am theologischen seminar der Liebenzeller Mission absolviert. Dr. Li Wenliang starb im Alter von 33 Jahren. Erika Volz ist per Smartphone im Online-Studentenkreis dabei.
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