MISSION weltweit – Ausgaben 2020
14 darum geht’s deutschland Mecklenburger waren noch nie als hektisch oder nervös verschrien. Und jetzt – einige Wochen, nachdem ich mit mulmigem Gefühl den Familien auf unserem Oase-Spielplatz die Sperrung erklä- ren musste –, zeigt sich, welch unaufgeregte Ge- duld viele für diese Zeit mitbringen. Die Schlie- ßung von Schulen und Kindertagesstätten und das umfangreiche Kontaktverbot sind die stärks- ten Einschränkungen für die Menschen hier. Aber von einer unsicheren oder gar panischen Stimmung kann nicht die Rede sein. Viele Din- ge, die in dieser Zeit ungewiss werden oder aus- Aaron und ilonka köpke leben mit ihren beiden söhnen in neubrandenburg. Mit dem team der „oase im reitbahnviertel“ entwickeln sie eine gemeinde mit Leuten aus dem Viertel für das Viertel. Aaron ist seit 2012 sozialarbeiter in der oase, seit April 2018 leitet er das oase-team. ilonka ist krankenschwester. das reitbahnviertel ist die heimat vieler junger Familien. die arbeits- losigkeit ist hier so hoch wie nirgendwo in der stadt. 65 prozent der Kinder im Viertel werden in Familien groß, die sozialleistungen nach dem sgB ii beziehen (stand 2016). ein sprichwort sagt: „Wenn die Welt untergeht, ziehe ich nach mecklen- burg, denn dort geschieht alles 50 Jahre später.” mit Blick auf die entwicklung der Fallzahlen der an covid-19 erkrankten könnte man meinen: da ist was Wahres dran. „is ja, wie’s is” unaufgeregt in mecklenburg fallen, spielen sowieso keine große Rolle. Viele Familien leben zwar in kleinen Wohnungen, haben aber oft, entweder selbst oder nahe Ver- wandte, einen Garten in den weitläufigen Klein- gartenanlagen, die sich hinter dem Reitbahn- viertel kilometerweit in die Landschaft ziehen. dass alle Flüge gestrichen sind, interessiert hier niemanden Weite Urlaubsreisen kommen für die meisten ohnehin nicht infrage. Das Leben vieler Famili- en spielt sich in der näheren Umgebung ab. Hier haben sie alles, was sie brauchen. Viele Jobs sind zurzeit unsicher – aber oftmals haben die Leute sowieso keinen zu verlieren. Diejenigen, die einen Arbeitsplatz haben, sind auch ohne Corona damit konfrontiert, dass sie wenig verdie- nen oder die Länge ihrer Anstellung ungewiss ist. Folglich fällt für die Menschen gar nicht so viel weg. Sie wundern sich beim Einkaufen zwar über die neuen Regeln, gehen dennoch unaufge- regt weiter. Manche Familien gleichen den Stress zu Hause dadurch aus, dass sie für sich den Begriff Kernfamilie etwas ausdehnen ... Tatsächlich haben wir den Eindruck, dass es den meisten Menschen im Viertel sehr gut gelingt, diese seltsame Zeit zu ertragen. „Is ja, wie’s is“, sagt man hierzulande oder „Nützt ja nix!“ Und
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