MISSION weltweit – Ausgaben 2020
15 mission weltweit 7–8/2020 deutschland darum geht’s schon hat man ein bisschen das Gefühl, mit allem klarzukommen. In Halbsätzen wie „mal sehen“ oder „kann man nix machen“ zeigt sich diese nüchterne Mentalität. An Nebel kann man nichts ändern, nur die Geschwindigkeit anpas- sen. Es geht weiter, aber langsamer. Auswirkungen erst später Wie sehr Kinder an den Maßnahmen zu Hause leiden, wird sich wohl erst in einem halben Jahr zeigen. Wir wohnen im kinderreichsten Viertel Neubrandenburgs und des ganzen Landkreises. Nirgendwo sonst ist der prozentuale Anteil der jungen Generation so groß. Krippe und Kita gehören in Ostdeutschland fest zum Familienall- tag. Gerade mit Blick auf sozial schwächere Familien im Reitbahnviertel leisten diese Ein- richtungen einen wichtigen Beitrag beim Abfe- dern sozialer Ungleichheit. In der Kita erfahren die Kinder eine enorme Erweiterung ihrer sozi- alen und räumlichen Gegebenheiten. In vielen Fällen haben sie dort eine gesündere Ernährung als zu Hause. Das alles entfällt durch Corona. Jetzt sind die Eltern auf sich selbst zurückgeworfen. Wir haben ein ungutes Gefühl, wenn immer wieder gemahnt wird, dass durch den „Lock-down“ die häusliche Gewalt zunehme. Der Großteil der Familien in unserer Nachbarschaft scheint die Situation ganz gut zu meistern. Auch die Bezirkssozialarbeiterin vom örtlichen Jugendamt nimmt die Lage als ruhig war. Die schlimmsten Befürchtungen schei- nen sich gerade nicht zu bewahrheiten. Unser Gebet ist, dass es so bleiben möge. distanz statt nähe und Gemeinschaft Als Oase-Team mit unserem missionarischen Anliegen machen uns manche Anti-Corona- Maßnahmen wirklich zu schaffen. Die Oase ist zu. Normalerweise läuft bei uns die Arbeit hauptsächlich über Nähe und Gemeinschaft. Das muss jetzt für lange Zeit ausbleiben. Die vielen offenen Fragen machen müde. Was kann in den nächsten Monaten gar nicht, vielleicht doch oder nur unter Einschränkungen stattfinden? Niemand weiß das. In Mecklenburg-Vorpom- mern sind jetzt immerhin erste Gottesdienste erlaubt, aber mit Abstand und vielen Regeln. Auch erste Programme für Kinder haben bereits auf dem Hof stattgefunden. Doch alles, was jetzt möglich wurde, ist so weit entfernt von dem, wie wir Gemeinde verstehen und bauen wollen. Wie unsere Arbeit durch diese Einschränkungen auf lange Sicht verändert wird, ist noch nicht abzusehen. Das gehört zu den Dingen, die momentan schwer zu ertragen sind! Wir dürfen uns deshalb ganz neu erfinden: Hör- spiele im Internet, Kleingruppen über Videokon- ferenzen. Und einiges bleibt legal, für das uns immer wieder im laufenden Oase-Programm die Zeit knapp geworden ist: Kontakte eins zu eins. Spaziergänge. Telefonieren. Wir geben Familien Impulse für ausgewogenes Kochen und arbeiten Dinge ab, die wir bisher aufgeschoben haben. Unsicherheit – auch sonst Es ist schon seltsam. Sonst wollen wir auch eif- rig Salz und Licht sein, Hoffnung schenken in Hoffnungslosigkeit. Aber mehr als noch vor Corona ähneln unsere eigenen Voraussetzungen als Missionare den Voraussetzungen der Men- schen, die wir erreichen wollen: Die Zukunft lässt sich schlecht planen. Wie wir in einem Jahr als Oase dastehen, können wir derzeit schwer sagen. Für die Menschen unseres Viertels ist vie- les sonst auch unsicher. Viel mehr als vorher brauchen wir gute Nerven für unsere Kinder, die zu Hause sind. Umso besser können wir uns in Eltern hineinversetzen, denen schon längst die Decke auf den Kopf gefallen ist. Trotz des aus- dauernden Sonnenscheins legt sich in diesen Wochen bei all den Veränderungen streckenwei- se etwas Depressives auf unser Gemüt. Wesent- lich ehrlicher bete ich nun für die Menschen, deren Alltag schon seit Jahren durch psychische Krankheiten beeinträchtigt ist! Jesus: unser Anker Gott sieht etwas in uns, auch jetzt, wenn her- kömmliche Kanäle entfallen und wir uns mitun- ter mental ausgebremst fühlen. Das „Isso“ unse- res Bundeslandes mag manchmal missmutig gefärbt sein. Aber mit „nützt ja nix“ lässt sich auch weitergehen. Man lässt sich nicht verrückt machen und tut, was jetzt nötig ist. Jesus ist unser Anker. Wenn einer unaufgeregt bleiben darf, dann er. Er weiß Bescheid und schenkt Frieden. Ich meine: Er beruft uns nicht zu noch mehr Internet-Kunststücken, wohl aber zur Demut. Und er richtet uns immer wieder auf. Wenn ER sagt „mal sehen“, schwingt da auch jedes Mal diese Siegesgewissheit mit. Und ein Sieger, das ist ER – in der Tat. Aaron Köpke l anders als die stadt neubrandenburg ist das Bundesland stark touristisch geprägt. allein über ostern wären ohne das corona-bedingte einreiseverbot rund 800.000 menschen zum urlaub nach mecklenburg- Vorpommern gekommen, überwiegend an die ostsee. das entspricht der hälfte der Bevölkerung. Die Kleingärten in der direk- ten Umgebung des Viertels sind besonders erschwinglich. Sie sind aber am meisten von Vandalismus betroffen. Fotos: AAron kÖpkE
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