MISSION weltweit – Ausgaben 2020

19 das empFehlen Wir Wer die Frage nach dem sinn von Leid klären will, ohne anzuerkennen, dass mit dieser Welt, mit uns Menschen von natur aus etwas fundamental nicht in ordnung ist, der bleibt an der oberfläche des problems haften. mission weltweit 7–8/2020 WeiTerdenken >> sonderBeitrag Zum thema Von christop raedel Die Termine fallen wie Dominosteine, einer nach dem anderen: Vortrag eins wird abgesagt, Vortrag zwei auch. Ein angekündig- ter Besuch: gestrichen. Die Kinder in den Ferien zu den Großeltern: geht nicht. Unsere Gesellschaft mag auseinanderdriften, aber ge- rade haben wir alle ein gemeinsames Thema: das Coronavirus. Da kann schnell die Frage nach dem Warum aufbrechen. Warum gerade jetzt, warum gerade wir? Aber haben Sie diese Frage schon einmal umgedreht und sich gefragt, ob Sie das Gute, das Ihnen widerfahren ist, auch wirklich verdient haben? Ein erhol- samer Urlaub, die schön eingerichtete Wohnung, die wohlgerate- nen Kinder … Obwohl es unzählige Menschen gibt, die auf vieles Gute verzichten müssen. Aber selten fragen wir im Alltag: Womit habe ich das Gute eigentlich verdient? Wir nehmen es einfach so hin. Trifft uns ein Unglück, ändert sich das schnell. Wir fragen: Warum gerade ich? Womit habe ich das verdient? Das ist doch nicht gerecht! die Theodizee-Frage Die Frage, warum ein gerechter Gott Leid zulässt oder, wenn er es schon zulässt, nicht (nach unseren Maßstäben) gerechter verteilt, wird als Theodizee-Frage bezeichnet. Denker aller Zeiten haben sich um eine Antwort auf diese Frage bemüht. Einer der bekann- testen Entwürfe stammt von Gottfried Wilhelm Leibniz (1646– 1716) aus dem Jahr 1710. Er wollte zeigen, dass diese Welt unge- achtet der Übel, die uns widerfahren, „die beste aller denkbaren Welten“ sei. Besser geht es nicht, und Gott ist gut. Punkt. In der Neuzeit wurde das Leid dann jedoch immer mehr zum Ein- wand gegen den Glauben an Gott. Der Schriftsteller Georg Büch- ner (1813–1837) bezeichnete die Erfahrung, dass der Gerechte leidet, gar als „Fels des Atheismus“, also als Fundamentalein- wand gegen die Annahme, dass Gott existiert. In dieser Religions- kritik steckt ein Wahrheitsmoment: Der Versuch, den Zustand dieser Welt mit dem Glauben an einen guten und gerechten Gott mittels der Vernunft zu vereinbaren, muss scheitern. Allerdings nicht, weil Gott nicht gut, gerecht und allmächtig ist, sondern weil die für uns erfahrbare Welt nicht identisch ist mit der Schöp- fung, wie sie aus dem Willen Gottes hervorgegangen ist. Die uns begegnende Natur – einerseits atemberaubend schön, anderer- seits von erschreckender Zerstörungskraft – ist Gottes Schöpfung in der Winterstarre, und die ist das Resultat einer Rebellion des Menschen gegen Gott, von der 1. Mose 3 und Apostel Paulus in Römer 1 erzählen. Unpopulär, aber nicht zu ändern: Wer die Frage nach dem Sinn von Leid klären will, ohne anzuerkennen, dass mit dieser Welt, mit uns Menschen von Natur aus etwas fundamental nicht in Ord- nung ist, der bleibt an der Oberfläche des Problems haften. Was Jesus tat Eine die Vernunft befriedigende Lösung des Theodizee-Problems gibt es nicht. Was die Bibel verheißt, ist nicht die intellektuelle Lösung der Leidfrage, sondern die Erlösung vom Leid (Offenba- rung 21,4). Dem entspricht die Weise, in der Jesus leidenden Menschen begegnet ist. Er erklärt ihnen nicht, warum sie leiden müssen, sondern lässt sich ihre Not zu Herzen gehen und heilt sie (Matthäus 14,14). Er verbindet Heilung mit Sündenvergebung (Markus 2,10–11) und erinnert daran, dass Gottes Errettung aus Not als Einladung zur Umkehr von bösen Wegen gemeint ist (Johannes 8,11). Doch warnt Jesus zugleich davor zu kalkulieren, wie schwer ein Mensch wohl gesündigt haben muss, der von gro- ßem Leid getroffen wird (Lukas 13,1–5). not als „Zuchtrute Gottes“ Am 12. Juli 1552 predigt Heinrich Bullinger (1504–1575) auf der Kanzel des Großmünsters in Zürich über Jesus und den sinken- den Petrus auf dem See (Matthäus 14,22–33). Seiner Gemeinde sind Schicksalsschläge vertraut. Wenige Monate zuvor hatte der (gegen den Kaiser gerichtete) Fürstenaufstand begonnen, der mehrere Schlachten nach sich zog. Bullinger fragt zunächst nach dem Ursprung von Trübsal und Not. Seine Antwort: Sie sind Schi- ckungen, Zuchtruten Gottes. Gott will uns durch sie lehren, auf das Wunderwerk der Erlösung in Jesus Christus zu schauen, der nicht nur allmächtig und gutwillig ist, sondern Mitleid mit den Notleidenden hat und ihnen beisteht. Dafür nahm er es auf sich, Mensch zu werden und den bitteren Kreuzestod zu erleiden. Die das evangelium ist zu allen Zeiten verkündigt worden, auch wenn seuchen ausbrachen und Kriege wüteten. doch was ist in Zeiten einer pandemie das gute an der nachricht von gott? Was genau ist das Wort, das wir hören sollen, ja hören müssen? die Konfrontation mit dem leid spült eine alte menschheitsfrage hoch: Warum gibt es Krankheit, seuchen und tod? Wo ist gott darin? oder zuge- spitzt gefragt: ist gott die schöpfung entglitten? und wie soll das alles enden? In vielen Einsatzländern der Liebenzeller Mission arbeiten die Menschen körperlich schwer. Sie tragen schwere Lasten. Weitaus schwerer wiegt – überall, auch in den Industrienationen – die Last der Schuld und Trennung von Gott. Weltmission lenkt den Blick auf Jesus Christus, der die Schuldfrage gelöst hat. y

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