MISSION weltweit – Ausgaben 2020
18 darum geht‘s weiterdenken >> sonderbeitrag zum thema von armin jans Mit diesen Worten leitet der deutsche Kulturphilosoph Christian Hirschfeld (1742–1792) seine Abhandlung „Von der Gastfreund- schaft“ ein. Was im 18. Jahrhundert galt, scheint auch heute noch zu stimmen: Gastfreundschaft bekommt nicht die Beachtung, die sie verdient. Dann wollen wir das ändern … Grundsätzlich gilt: Gastfreundschaft ist immer Begegnung. Begeg- nung von Gastgeber und Gast. Also bestimmt die Qualität der Beziehung zwischen Gastgeber und Gast auch die Güte der Gast- freundschaft. Schauen wir uns diese „Güte“ nun etwas näher an. 1. Gastfreundschaft … … ist Großzügigkeit Großzügigkeit ist der Klassiker unter den Gastgeber-Eigenschaf- ten. Knauserige Gastgeber werden immer unzufriedene Gäste haben … und das in der Regel auch nicht mehr als ein Mal. Eine einfache Formel im Gastgewerbe heißt: „Großzügigkeit macht großzügig. Kleinlichkeit macht kleinlich.“ Das gilt für jede Form der Gastfreundschaft – die private und die dienstliche/berufliche. Ein Grundsatz der Großzügigkeit aus der Bibel lautet: „Auf dem Geben liegt ein größerer Segen als auf dem Nehmen.“ (Apostelge- schichte 20,35; NGÜ) Es erfüllt uns mehr, wenn wir großzügig sind. Wir erleben gro- ßen Segen, wenn wir geben. Die Bibel ist durchzogen von diesem Gedanken: Wir werden immer wieder aufgefordert, großzügig zu sein. Großzügig für unsere Gäste aufzutischen, großzügig zu tei- len, großzügig zu vergeben, großzügig zu ermutigen, großzügig Liebe weiterzugeben. Und das alles auf Grundlage der Güte Gottes. Der tiefste Grund unserer Großzügigkeit ist, dass Gott auch großzügig zu uns ist. Wir geben weiter, was wir erhalten haben. Gott ist der Gastgeber des Lebens – und wir öffnen unsere Türen für die Menschen. Gott beschenkt uns – und wir geben davon wei- ter. Er gibt uns ein Zuhause – und wir bieten zeitweilig Heimat. … braucht Aufmerksamkeit Benedikt von Nursia, der Gründer des Benediktiner-Ordens, schrieb im Jahr 529 für die Männer, die in seiner Klostergemein- schaft die Verantwortung trugen, folgende Hinweise für den Umgang mit Gästen: „Sobald ein Gast gemeldet wird, sollen ihm der Obere und die Brüder voll dienstbereiter Liebe entgegeneilen. […] Dann nehme man sich mit aller Aufmerksamkeit gastfreund- lich seiner an.“ Regula Benedicti, Kapitel 53 1 Hier verbindet Benedikt die Gastfreundschaft mit der Aufmerk- samkeit. Denn: Aufmerksamkeit ist der Grundton der Gastfreund- schaft. Jede noch so kleine Aufmerksamkeit ist ein Augenblick „Eine der liebenswürdigsten Tugenden, die je die menschliche Natur geziert hat, die Nationen ver- schwistert und Weltteile aneinanderkettet, die Gast- freundschaft, scheint noch nicht die Betrachtung gefunden zu haben, die sie verdient.“ Der tiefste Gastfreund Sonder- beitrag von Armin Jans der Nähe. Aufmerksamkeit ermöglicht Begegnung und Verbin- dung. Wer aufmerksam ist, verbündet sich unweigerlich mit dem Gegenüber. Das spürt jeder Gast. Jeder Mensch möchte ja wahr- genommen werden, nicht übersehen werden, wichtig sein. Um ein guter Gastgeber zu sein, brauchen wir also nicht so sehr Worte als viel mehr Präsenz. Wachsam den Gast „lesen“. Genau hinschauen, was er/sie in genau dieser Situation benötigt. Braucht er/sie Ruhe – oder Gespräch? Humor – oder Ernsthaftigkeit? Worte – oder Zuhören? Ermutigung – oder Herausforderung? Eigenverantwortung – oder Sicherheit? Gelassenheit – oder Aus- gelassenheit? 1 http://www.benediktiner.de/index.php/beziehungen-des-klosters-nach-aussen-2/ aufnahme-der-gaeste/345-regula-benedicti-kapitel-53.html
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