MISSION weltweit – Ausgaben 2020

19 das emPFehlen wir mission weltweit 9–10/2020 WEItErDENkEN >> sonderbeitrag zum thema von armin Jans Aufmerksamkeit hat immer damit zu tun, ganz in der Gegenwart zu leben mit dem Gast – und nicht mit den Gedanken schon beim nächsten Termin oder beim nächsten Men- schen zu sein. Das gilt es zu üben: bewusst in der Gegenwart sein, bewusst bei den Men- schen sein, bewusst in der Liebe bleiben. Ganz im Sinn des mittelalterlichen Theologen Meis- ter Eckhart (1260–1328): „Die wichtigste Stunde ist immer die Gegenwart, der bedeutendste Mensch ist der, der dir gerade gegenübersitzt, das notwendigste Werk ist stets die Liebe.“ … bringt Freiheit Im 16. Jahrhundert wurde Gastfreundschaft auch mit dem Wort „Gastfreiheit“ bezeichnet. Dieser Begriff macht deutlich, was Gast- freundschaft bewirken kann: Menschen in die Freiheit zu führen. Freiheit ist der Maßstab für jeden „Dienst“, auch für die Gast- freundschaft. „Die Qualität des Dienstes wird dadurch bestimmt, inwieweit das Dienen den anderen befreit. […] Den anderen zu je mehr Freiheit und Selbststand zu befreien: Das muss die Frucht des Dienens sein.“ Paul Imhof 2 Nicht knechten. Nicht bevormunden. Nicht belehren. Nicht bedrängen. Nicht überfahren. Sondern in die Freiheit führen. So lässt Gastfreundschaft Menschen aufatmen. 2. Gastgeber Kürzlich habe ich die Beschreibung eines „idealen Gastgebers“ durch den Schweizer Schriftsteller und Architekt Max Frisch auf- geschnappt: „Ideale Gastgeber sind manchmal Verschwender, öfter Lebenskünstler und immer Menschenfreunde. Sie sind die sonnen- warmen Inseln im kaltstürmischen Ozean des Daseinskampfes.“ Wir entdecken und spüren in diesem Satz ein wenig von der Frei- heit, Schönheit, Großzügigkeit und Wohltat der Gastfreundschaft … und von der erstrebenswerten Aufgabe eines Gastgebers. Gastgeber sind Dienst-Leister Gastgeber sind Diener. Ihr Dienst ist ihr „Ver-Dienst“. Ein Diener will sich nicht bereichern, will nicht herrschen, will nicht groß sein, will nicht an erster Stelle stehen, will sich nicht bedienen lassen, will alles für alle Menschen geben. Das ist ein Grundton, der durch die ganze Bibel tönt! Ein sehr hoher Anspruch für Gastgeber. „Hingabe“–dieses Wort fasst sehr gut diesen Grundton zusammen. Wir werden als Gastgeber immer mehr tun als gefordert, immer mehr geben als verlangt, immer mehr einbringen als erwartet. Dienen ist Hingabe … und diese Hingabe hat ein göttliches Vor- bild: Jesus Christus. Er hat alles gegeben, um alle zu retten. Das gibt die Richtung für jeden Gastgeber vor: Es geht beim Die- nen nicht um uns, sondern um die Menschen, die unseren Dienst zu spüren bekommen. Es geht – für den „Dienst“ der Gastfreund- schaft gesprochen – um unseren Gast, nicht um uns Gastgeber. Gastgeber sind raum-Geber Unsere Aufgabe ist nicht, Menschen zu ändern, damit sie sich bei uns wohlfühlen, sondern sie ohne Ansehen der Person aufzuneh- men und zu lieben. Unser „Gottes-Dienst“ ist die Liebe. Martin Luther (1483–1546, deutscher Theologe und Reformator) hat das mal so ausgedrückt: „Wisse, dass Gott dienen nichts anderes ist, denn deinem Nächsten dienen und mit Liebe wohltun.” Wir bieten unseren Gästen einen Raum, in dem sie so sein können, wie sie sind: schwach oder stark, deprimiert oder aufgedreht, hungrig oder satt. So sind wir als Gastgeber also immer „Raum- Geber“. Wir dienen den Gästen, indem wir ihnen den Raum zur Verfügung stellen, den sie aktuell brauchen. Einen Raum, der es für sie möglich macht, Gott zu begegnen. Foto: michAel BolAy Sinn der dschaft „Wer Gastfreundschaft übt, bewirtet Gott.“ sprichWort Aus isrAel 2 paul imhof, Gott glauben, eos verlag 1992

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