MISSION weltweit – Ausgaben 2020

9 mission weltweit 11–12/2020 Japan darum geht’s Fotos: aNDreas Gross Foto: rahel Gross Ich höre aber immer wieder ältere Menschen sagen, dass sie den Jüngeren nicht zur Last fallenmöchten. Deshalb lehnen sie Hilfeeher ab. Herr Abe: Wir denken da anders. Aber es gibt tatsächlich viele, die so empfinden. Wir haben eine wichtige Lektion von einem alten Pfarrer gelernt, der seine eigene Bedürftigkeit im Alter als besondere Gelegenheit zur Evangelisation sah. Er nannte dies „Osewaninaridendou”, was übersetzt etwa heißt: „Evangelisation, während man jemandem zur Last fällt und Hilfe emp­ fängt”. Der alte Pfarrer bekam täglich Besuch von einer Haushaltshilfe der Wohlfahrt. Und er bat diesen Mann immer darum, ihm aus der Bibel vorzulesen. Der Helfer war nicht gläubig, kam aber durch dieses BibelVorlesen zum Glau­ ben und ließ sich später taufen! So kann es auch besondere Freude bereiten, Hilfe in Anspruch zu nehmen. was ist das übliche renteneintrittsalter in Japan? Herr Abe: Mit 65 Jahren gehen die meisten Japaner in Rente – aber nicht unbedingt in den Ruhestand! Die staatliche Rente erhält man erst mit 70, sodass die fünf Jahre dazwischen für vie­ le Rentner finanziell sehr schwierig sind. Des- halb arbeiten viele noch bis mindestens 70 in Teilzeit. Die wenigsten, bestenfalls Beamte im Staatsdienst, können allein von ihrer Pension leben. Viele Ruheständler bekommen daher zusätzlich staatliche Fürsorgeleistungen. Wer allerdings noch ein Haus besitzt, wird vom Staat nicht unterstützt – man muss zunächst sein Haus verkaufen. Das fällt verständlicherweise vielen alten Menschen sehr schwer. So machen sich viele Japaner vermehrt Sorgen, wie sie später von ihrer Rente leben können. Ist der respekt gegenüber den Alten in der japanischen kultur immer noch so wichtig? Herr Abe: Als wir noch alleinstehend oder dann eine junge Familie waren, haben wir als junge Christen besonders viel von den alten Glaubens­ vätern und Glaubensmüttern der Gemeinde gelernt. Das Zeugnis der Alten zu hören, die ihren Glauben an Jesus während des Krieges lebten und bewahrten, war für uns Jüngere damals unglaublich wertvoll! Auch wenn der Respekt gegenüber den Alten heute immer mehr abnimmt, feiern wir in der Gemeinde im September immer einen besonde­ ren Gottesdienst zur Ehrung der Alten. Diese erhalten ein kleines Geschenk, und im Anschluss berichten sie in der Gemeinde aus ihrem reichen Erfahrungsschatz. Habt ihr zum Schluss noch einen guten rat, wie man klug altern kann? Frau Abe: Ein Hobby suchen, um geistig und kör­ perlich aktiv zu bleiben. Es sollte etwas sein, das mich besonders interessiert und das ich bis ins hohe Alter betreiben kann. Und es sollte in ers­ ter Linie mir selbst wirklich Spaß machen. Wenn ich mit diesem Hobby auch anderen eine Freu­ de machen kann, dann ist es besonders erfül­ lend. Ich denke, es ist nie zu spät, einen interes­ santen Ausgleich zu suchen. Herr Abe: Mich bewegt immer wieder, was Jesus in Matthäus 5,13–14 sagt: „Ihr seid das Salz der Erde … Ihr seid das Licht der Welt.“ Als Koch weiß ich: Egal, welche exquisiten und hochwertigen Zutaten ich benutze, um ein Gericht zuzuberei­ ten – am Ende ist es das Salz, das den Unter­ schied macht! Selbst wenn die Zutaten nicht die besten sind, kann es mit der richtigen Dosierung des Salzes ein köstliches Gericht werden. Um im Vergleich mit dem Kochen zu bleiben: Die Auf­ gabe des Salzes ist es, die verschiedenen Geschmacksrichtungen der Zutaten und Gewür­ ze zusammenzubringen, sie zu verstärken, sie richtig zur Geltung zu bringen. Ich denke: Als Senioren haben wir genau diese Aufgabe in der Gemeinde, in der Gesellschaft und in der Familie. Da, wo es viele verschiede­ ne Ansichten und Meinungen gibt, ist es die Rol­ le des Salzes, diese unterschiedlichen Gruppen zusammenzubringen und etwas „Köstliches” daraus zu machen. In unserem langen Leben haben wir viele wertvolle Erfahrungen gemacht, die uns heute dabei helfen. Daher spüre ich gerade als Senior die wichtige Aufgabe, Salz der Erde zu sein – ob in der Gemeinde, in der Gesell­ schaft oder in der Familie. Andreas Gross l Andreas und rahel Gross haben drei Kinder und leben seit Dezember 2009 in Japan. Zu ihren aufgaben gehört seit Juni 2020 die teamleitung und die pla- nung und begleitung einer neuen Gemeindegründung in inagi, einem Vorort tokios mit 90.000 einwohnern. Zuvor waren andreas und rahel im Gemeindeaufbau in ome tätig. beide haben nach dem abitur die aus- bildung am theologischen seminar der liebenzeller mission absolviert und waren zwei Jahre beim lie- benzeller Gemeinschafts- verband tätig. der dritte montag im september ist in Japan der „tag der ehrung der Alten” . an diesem nationalen feiertag werden die alten menschen geehrt und ein langes leben gefeiert. wer 100 Jahre alt wurde, erhielt früher von der regierung einen silber­ becher. heute, mit über 30.000 Jubilaren pro Jahr, sind die becher aus kostengründen nicht mehr aus purem silber. manche orte machen ihren bürgern zum 100. geburtstag ein extra geschenk. der spendabelste ort ist tobishima bei nagoya, dessen Jubilare jeweils eine million Yen zu ihrem besonderen geburtstag erhalte . das s nd umgerechnet immerhin etwa 8000 euro! Abendessen über den Dächern Nakanoshimas, gemeinsam mit den neuen Missionaren Lara und Stefan Degler

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