MISSION weltweit – Ausgaben 2020
15 das empfehlen wir mission weltweit 11–12/2020 weiterdenken >> sonderbeitrag zum thema von dr. günther beckste n Es ist deshalb gut, wenn die Liebenzeller Mission sich mit diesem Thema beschäftigt. Auch für mich war es herausfordernd, dazu einen Aufsatz zu schreiben. Ich will dies unter den verschiedenen Aspekten tun, die für mich Bedeutung haben. 1. Beruf Da ist es für die meisten Menschen am leichtesten zu planen. Der Ruhestand mit 65 und ein paar zusätzlichen Monaten, seit die gesetzliche Altersgrenze schrittweise angehoben wird. Meine Frau ist im Staatsdienst im Lehrberuf tätig gewesen – sie wusste auf Jahre im Voraus, wann sie in den Ruhestand eintreten wird. Obwohl sie ihren Beruf sehr liebte, freute sie sich auf die neue Freiheit, nicht mehr jeden Tag der Arbeit nachgehen zu müssen. Sie hatte viele Vorstellungen, was sie alles im Ruhestand machen würde, wofür vorher keine Zeit war. Inmeiner Situation war die Lage schon schwie riger: Ich war in der Politik tätig, zum Schluss als Ministerpräsident des Freistaates Bayern. Ich wollte ein gutes Wahlergebnis und arbei tete dafür mit vollem Einsatz bis an die Gren ze des gesundheitlich Möglichen. Als ich mein Wahlziel dann doch nicht erreichte, sah ich mich gezwungen, das Amt aufzugeben. Ich entschloss mich, meinen ursprünglichen Beruf als Rechtsanwalt wieder aufzunehmen, der als freier Beruf keine reguläre Altersgrenze kennt. Aber ich überlegte mir, dies nicht mehr in voller Arbeitszeit zu machen, sondern nur so, dass ein schleichender Eintritt in den Ruhestand möglich war: Ich nahm nur Mandate und Aufgaben an, die sich mit Alter und Lage vereinbaren ließen, zum Beispiel Tätigkeiten in Stiftungsräten gemeinnütziger Stiftungen oder in Aufsichts- oder Beiräten von Organisationen. Und als ich dann das Ruhestandsalter hatte, brauchte ich nicht mehr auf die Einnahmen sehen, denn Pension bzw. Rente sicherten das Leben. Ich hatte erfüllende Aufgaben und bekam Anfragen für Vorträge, sodass ich eine gute Mischung aus Arbeit und Freiheit hatte und habe. Der Ruhestand ist der Verlust des bisher wichtigsten Lebensin halts, denn Beruf ist nicht nur Arbeit und Last, sondern auch ein großes Stück Berufung; er gibt Erfüllung und ist ein wesentlicher Beitrag für den Sinn des Lebens. Als Chef einer großen Verwaltung – dem Bayerischen Innenminis terium – hatte ich erlebt, wie verschieden Menschen mit demÄlter werden umgehen: Es gab Mitarbeiter, die sich auf den Ruhestand sehr freuten und ihn herbeisehnten, da sie den Beruf vor allem als Belastung empfanden, so zum Beispiel Polizisten im Schichtdienst. Andere dagegen hatten Sorge vor der Leere und nahmen alle Chan cen wahr, den Ruhestand länger als bis zur regulären Altersgrenze hinauszuschieben. Gerade dann, wenn die Arbeit interessant und erfüllend ist, ist es doppelt wichtig, sich auch auf das Loslassen vor zubereiten und im Beruf Übergänge zu organisieren. Es ist falsch, sich unentbehrlich zu machen, sondern entscheidend, dass die Auf gaben von anderen übernommen werden können. 2. Politik Unsere Gesellschaft altert, die Zahl der Geburten ist geringer als die der Todesfälle. Das hat Auswirkungen, vor allem auf das Sys tem der sozialen Sicherung. Für die gesetzliche Rentenversiche rung sind die Veränderungen der Alterspyramide von existenziel ler Bedeutung. Wenn früher ein Rentner auf drei bis vier Erwerbstätige kam und jetzt das Verhältnis in Richtung 1:1 geht, wird dies die Belastung der Erwerbstätigen drastisch erhöhen. Die Anhebung des Renteneintrittsalters ist hier nach meiner Überzeugung ein absolut notwendiger Schritt. Welche weiteren Maßnahmen nötig sind, um die Zukunftsfähigkeit des Rentensys tems langfristig zu gewährleisten, untersucht eine Kommission. Die Pflegeversicherung ist als neue Säule in das Sozialsystem auf genommen worden, muss aber dringend neu aufgestellt werden. Es geht zunächst darum, genügend Menschen zu finden, die in der Pflege tätig sind. Die Wertschätzung der Pflegetätigkeit hat in den vergangenen Monaten erheblich zugenommen. Dies ist notwendig, um junge Menschen verstärkt in die Pflegeberufe zu führen. Aber auch die Höhe der Vergütung muss noch besser wer den. Dies verstärkt den Druck auf die Pflegever sicherung, die schon heute zumeist nicht aus reicht, die Kosten der Pflege – ob ambulant oder im Heim – zu tragen. Auch die Grauzone der ost europäischen Pflegekräfte für individuelle Betreuung in den eigenen vier Wänden bedarf einer eindeutigen Regelung. Darüber hinaus wird der Alterungsprozess unsere Gesellschaft sehr verändern; dies klug zu gestalten, ist eine große Herausfor derung. Der Hinweis darauf soll genügen, eine ausführliche Behandlung würde den Rahmen dieses Beitrags sprengen. 3. Vorsorge Von meinem Beruf als Rechtsanwalt her weiß ich ganz besonders, dass es wichtig ist, sich auf die Folgen des Alterns vorzubereiten und für alle Fälle Vorsorge zu treffen. Testament: Wer soll nach meinem Tode meine irdischen Schätze erhalten, zum Beispiel das Haus oder sonstigen Besitz? Der Gesetzgeber hat zwar Regelungen über das Erbrecht getroffen, aber passt das auf mich und meine Lebenssituation? Will ich ein Vermächtnis – also eine Schenkung von Todes wegen – errichten, gerade auch für kirchliche oder gemeinnützige Zwecke? Es ist klug, sich darauf vorzubereiten, da „das Totenhemd keine Taschen hat“, wie der Volksmund sagt. Klare Regelungen sorgen dafür, dass später kein Streit entstehen kann, der nicht selten dazu führt, dass Familien zerbrechen. Vorsorge für Bestattung und Grab: Wie soll meine Beerdigung vonstattengehen? Wo soll ich begraben werden? Wer sorgt für mein Grab? Das sollte so dokumentiert werden, dass es im Falle des Todes schnell und sicher auffindbar ist. Patientenverfügung und Betreuungsvollmacht: Wenn ich schwer erkranke: Wie soll die medizinische Behandlung erfolgen? Soll alles medizinisch Mögliche getan werden, um das Leben zu ver längern? Oder sollen bestimmte Behandlungen nicht erfolgen, nur Schmerzen gelindert und dem natürlichen Sterbeprozess sei nen Lauf gelassen werden? Wer soll meine Betreuung überneh men? Leider sind Alzheimer oder Demenz nicht selten. Wer soll die Entscheidungen treffen, wenn ich selbst nicht mehr dazu in der Lage bin? Am zweckmäßigsten ist eine notarielle Verfügung, die dafür sorgt, dass dies in einem Register aufgenommen wird, das von den zuständigen Stellen jederzeit einsehbar ist. Der Grat ist schmal zwischen sehr hilfreichem Rat und unerwünschter Bevormundung.
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