MISSION weltweit – Ausgaben 2020
12 darum geht’s maLaWi Dann gab uns jemand den Tipp: Dieser junge Mann habe ein Talent fürs Radio und könne die Sendung „Gedichte“ moderieren. Dabei geht es nicht um solche mit sich reimenden Endsilben, wie wir sie in Europa kennen. In malawischen Gedichten wird Reim oder Grammatik übergan- gen. Hier ist wichtig, Wahrheiten etwas ver- steckt auszudrücken und damit Kritik an der Gesellschaft zu üben, ohne Anstoß zu geben. Also gaben wir dem jungen Lehrer eine Chance – und er machte seine Sache gut. Bald half er an den Wochenenden zusätzlich in der Nachrich- tenredaktion aus. Nachrichten senden wir sowohl in Yao als auch in Chichewa, der Amts- sprache Malawis. Am meisten erstaunte mich Chancys Fähigkeit, die Nachrichten zu lesen. Obwohl er stark seh- behindert ist und das Blatt mit dem Text etwa zehn Zentimeter vor sein besseres Auge halten muss, betont er ausdrucksvoller als viele andere Nachrichtensprecher, die man hierzulande im Radio hört. Bis September 2019 arbeitete der 24-Jährige neben seinem Beruf ehrenamtlich bei uns mit. Jetzt hat er die Möglichkeit, ein weiterführen- des Studium an der Uni zu machen. Zum Schluss seiner Mitarbeit bei uns haben wir dieses Inter- view geführt. Paul: Chancy, was sollten wir über dich und deine Familie wissen? Chancy: Ich wurde 1996 in Lilongwe geboren. Als ich neun Jahre alt war, ließen sich meine Eltern scheiden. Ich war dann bei meiner Mutter, die sich seither um mich kümmert. P: Du siehst schlecht, was ist das Problem? C: Schon als ich ein Baby war, wurde festge- stellt, dass etwas mit meinen Augen nicht stimmt. Ich habe von Geburt an ein Glau- kom (Grüner Star). Als ich etwa drei Jahre alt war, wurde ich an den Augen operiert: Man wollte wissen, ob etwas verbessert werden könnte. Aber die OP brachte nichts. Allerdings verschafft mir ein Medikament Erleichterung. Es hilft, den Augendruck zu regu- lieren. Das ist alles. Es besteht keine Hoffnung auf Besserung. Die Brille trage ich, um das bes- sere Auge zu unterstützen. Chancy ließ sich von seiner Augenerkrankung nicht davon abhalten, neben seiner Arbeit als Lehrer ehrenamtlich bei Radio L mitzuhelfen. Fast blind und doch sehend Vor gut einem Jahr kam Chancy in unsere radiostation und bot seine dienste an. obwohl wir normalerweise über jeden helfer froh sind, hatten wir Zweifel: er spricht kein Yao – die sprache, in der die meisten sendungen sind. wäre uns Chancy wirklich eine hilfe? Fotos: paul KrÄnZler
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