MISSION weltweit – Ausgaben 2020
19 das empfehlen wir mission weltweit 3–4/2020 weiterdenken >> sonderbeitrag zum th a von simon In den Evangelien wird manchmal ganz knapp geschrieben, dass Jesus umherzog, das Evangelium predigte und Kranke heilte (Matthäus 4,23; Markus 1,39). Es stellt sich also für uns die Fra- ge, wie wir mit Krankheit umgehen, wie unser Glaube an Jesus unser Denken und Handeln im Umgang mit Krankheit prägt und was wir in Krankheitszeiten von Gott erwarten können. – Um die- sen Gedanken nachzugehen, müssen wir zunächst fragen: Wie versteht die Bibel den Menschen? Aus biblischer Sicht kann man Leib, Seele und Geist des Menschen zwar unterscheiden, aber nicht von- einander trennen. Gott hat uns als körperliche Wesen geschaffen. Ulrich Eibach beschreibt den Leib als „Schnittfeld von Naturhaftigkeit, Geistig- keit und Sozialität des Menschen“ und folgert: „Die naturhafte, die seelisch-geistige und die soziale Existenz durchdringen sich im Lebensvollzug und bilden so eine Ganzheit“. 1 Wenn Christen ihren Auftrag nur darin sehen, „Seelen zu retten“, dann greift das biblisch gesehen zu kurz. Die Sorge Jesu galt dem gesamten Menschen. Er predigte, um Menschen wieder in die Gemeinschaft mit Gott zu führen. Wenn er sie heilte, dann wand- te er sich ihnen als der Sohn Gottes zu, heilte ihre körperlichen Gebrechen und verhalf ihnen wieder zu einem Leben in der Gemeinschaft mit anderen. Oft stand auch die Heilung in Zusam- menhang mit der Sündenvergebung (wie inMarkus 2,1–12), um den Kranken zu zeigen, dass Gott sich ihnen gnädig zugewandt hat. Manchmal wird im Neuen Testament dafür das griechische Wort „sozein“ benutzt, zum Beispiel in der Geschichte von den zehn Aussätzigen. Jesus spricht dem einen, der zurückkommt und sich dankend und anbetend vor ihm niederwirft, zu: „Dein Glaube hat dir geholfen!“ (Lukas 17,19). Was Luther mit „geholfen“ übersetzt, kann man genauso mit „geheilt“ oder „gerettet“ wiedergeben. „Heiland“ ist eine Bezeichnung für Jesus, die kaum noch benutzt wird, ihn aber treffend beschreibt. Jesus ist der, der uns Heil bringt und uns heil macht. Gott hat ein Interesse an uns Menschen in unserer Gesamtheit; nicht nur hinsichtlich der Seele. Das zeigt sich auch daran, dass Christen an eine leibliche Auferstehung glauben (1. Korinther 15). Allerdings wäre es verfehlt, alle Aspekte gleichbedeutend neben- einanderzustellen. Gott will unser geistliches Heil. Schon vor der Geburt Jesu verkündete der Engel Josef im Traum, dass Jesus kommen würde, um Menschen von ihrer Sünde zu retten (Mat- thäus 1,21). Gott will, dass Menschen, die von Gott getrennt sind, Vergebung der Sünden erfahren und wieder in Gemeinschaft mit Gott leben. Das gilt. Das will er für jeden, ausnahmslos. Die Fra- ge, ob wir in dieser Beziehung mit Jesus stehen, wird darüber ent- scheiden, ob wir die Ewigkeit bei ihm verbringen werden. Auch wenn wir den Menschen ganzheitlich sehen, müssen wir bedenken, dass jemand mit kör- perlichen Gebrechen Kind Gottes sein kann und jemand, der körperlich topfit ist, weit entfernt sein kann von Gott. Obwohl wir festhalten, dass sich Gott uns ganzheit- lich zuwendet, dürfen wir die verschiedenen Aspekte des Heil-Werdens nicht gleichsetzen. Vor allem die Frage, wann Gott alles heil machen wird, müssen wir näher untersuchen. In welcher Zeit leben wir? In den Evangelien kommt immer wieder zum Aus- druck, dass mit dem Kommen Jesu auf die Erde eine neue Zeit angebrochen ist. Das Königreich Gottes ist mit ihm in diese Welt hereingebrochen. Wenn Jesus böse Geister austreibt, ist das ein Zeichen dafür, dass Gott seine Herrschaft aufrichtet (Mat- thäus 12,28). Auch seine Krankenheilungen sind als Zeichen dieses angebrochenen Reiches Gottes zu verstehen (Lukas 4,18–19; 7,22–23). Was machen wir aus diesen Berichten? Christen ziehen unterschiedliche Schlüsse daraus. Auf der einen Seite sind jene, die sagen: „In Gottes Reich haben Krankheiten keinen Platz mehr! Wenn das Reich Gottes angebrochen ist, sind Heilungen an der Tagesordnung!“ Hier wird das Reich Gottes voll und ganz unserer heu- tigen Zeit zugeordnet; es ist schon komplett realisiert. Wenn wir die Gabe über den Geber stellen, geraten wir in Gefahr, dass unser Glaube zu unserer eigenen Wunschvorstellung mutiert. 1 Ulrich Eibach, Heilung für den ganzen Menschen?: Ganzheitliches Denken als Herausforderung von Theologie und Kirche (Neukirchen-Vluyn: Neukirchener, 1991), 69.
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