MISSION weltweit – Ausgaben 2020
darum geht’s Japan 4 Foto: priscilla kunuZ Vor etlichen Jahren kehrte Renate Paulokat mit ihrer Familie aus dem Missionsdienst nach Deutschland zurück. Sie packte ihren Hausrat zusammen und schenkte den Frauen in unserer Gemeinde deutsches Geschenkpapier. Ich brei tete es auf einem großen Tisch aus und meinte, dass sich jede Frau ein oder zwei Bogen aussu chen könnte. Alle waren begeistert von den ver schiedenen Mustern und Farben. Doch die Frauen zerschnitten die großen Bogen in gleich viele kleine Teile, sodass jede von jedem Papier etwas mitnehmen durfte. Ich konnte es nicht fassen, dass sie das schöne Papier auf diese Art und Weise unter sich auf teilten. Meine Mutter erzählte mir von ihrem ersten Erlebnis als junge Missionarin. Für die Weih nachtsfeier sollten die Frauen der Gemeinde Plätzchen backen. Meine Mutter schlug vor, dass jede eine andere Sorte mitbringt. Die Frau en konnten sich jedoch nicht einigen, und mei ne Mutter verstand den Grund nicht. Da wurde ihr erklärt: „Wenn wir nicht alle gleich sind, werden wir innerlich nicht ruhig.“ Die Frauen wollten nicht, dass jede eine andere Sorte macht – sondern am liebsten alle miteinander und gemeinsam drei bis fünf Sorten backen. So könn te niemand sagen: „Deine Sorte ist ja viel schö ner und schmeckt viel besser als meine.“ „Wenn wir nicht alle gleich sind, werden wir innerlich nicht ruhig.“ Dieser Satz spiegelt die japanische Seele wider. Wir haben ihn bei uns in der Familie immer wieder zitiert, wenn wir Mühe hatten, die Japaner in ihrer Andersartig keit zu verstehen. Möglichst alle gleich Im Alltag begegnet es mir immer wieder, dass Menschen in Japan sich am besten fühlen, wenn sie „alle gleich“ sind oder dasselbe bekommen. Ein Beispiel: Nach dem Kochkurs oder dem Gemeindemittagessen bleibt einiges übrig. Am liebsten wird das Essen so verteilt, dass jeder von jedem etwas mit nach Hause nehmen darf, auch wenn es nur ein Minirest ist. In unserer westlichen Kultur würde sich eher jeder etwas aussuchen, also entweder Beilagen, Salat oder Kuchen. Japaner denken nicht individualistisch, sondern gruppenorientiert. Deshalb tragen Schüler in bloß nicht aus der reihe tanzen „wenn wir nicht alle gleich sind, werden wir innerlich nicht ruhig“, beschrieb eine Frau das lebensgefühl der Japaner. ist es auch heute noch so, dass alle derselben norm genügen wollen? wird in Japan nicht verglichen?
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