MISSION weltweit – Ausgaben 2020

5 Japan darum geht’s mission weltweit 5–6/2020 Foto: priscilla kunuZ der Mittel und Oberstufe Schuluniformen. Nie­ mand soll herausragen, alle sollen möglichst gleich sein – getreu dem japanischen Sprich­ wort: „Den Nagel, der aus dem Brett herausragt, muss man einschlagen.“ Neulich las ich einen Artikel über „Randoseru“ (Schulranzen). Seit mehr als 100 Jahren hat sich die Form der Schultaschen in Japan nicht verän­ dert. Alle japanischen Kinder benutzen densel­ ben Ranzen während der sechsjährigen Grund­ schulzeit. Bis vor 15 Jahren gab es nur zwei Farben, schwarz für die Jungen und rot für die Mädchen. Heute dagegen kann man aus mehr als 20 Farben wählen. Wollen also nicht mehr alle gleich sein? Tendieren die Japaner nun doch zum Individualismus? Ja und nein. eine Million Menschen auf dem rückzug Äußerlich scheint alles gleich zu sein, aber innerlich und im Hintergrund wird sehr viel mit­ einander verglichen. Wer den Normen und Leis­ tungen nicht entsprechen kann, zieht sich zurück, bis dahin, dass man ein „Hikikomori“ wird. So werden Menschen bezeichnet, die sich einschließen und von der Gesellschaft ausschlie­ ßen. Ein japanischer Experte, T. Saito, ging im September 2019 davon aus, dass es in Japan 1,15 Millionen „Hikikomori“ gibt. Ich nehme an, dass diese Zahl höher ist als die der Christen in Japan (weniger als ein Prozent von 127 Mil­ lionen). Wenn man sich also mit anderen ver­ gleicht und nicht mehr mit der Gruppe mithal­ ten kann, zieht man sich freiwillig in seine vier Wände zurück und pflegt seine individuellen Bedürfnisse. Oft sind es Kinder und Jugendliche, die dann nicht mehr in die Schule gehen und als Erwachsene keinen Anschluss in der Gesell­ schaft finden. Sein können, wie man ist Die japanische Musikgruppe „Noah“ hat ein Lied geschrieben mit dem Titel „Ich darf so sein, wie ich bin“. Es ist eigentlich ein Kinderlied, doch auch Erwachsene lieben und singen es ger­ ne. Es bringt zum Ausdruck, was in der japani­ schen Gesellschaft fehlt: dass man so sein kann, wie man ist. Die Musiker von „Noah“ sind Chris­ ten. Ihre Botschaft ist: Bei Gott müssen wir uns nicht vergleichen, jede/r darf so sein, wie er/sie ist. Der Text geht so: Selbst die kleinste Blume auf dem Feld leuchtet, weil sie Gottes Liebe empfängt. Sie empfängt die überfließende Gnade des HERRN immer und immer wieder. Die Rose blüht wie eine Rose. Das Veilchen blüht wie ein Veilchen. Auch ich will dem HERRN nachfolgen, so wie ich bin. Die Vögel, die am Himmel fliegen, hören nicht auf, von der Liebe Gottes zu singen. Sie singen mit überfließendem Dank und Freude immer und immer wieder. Der Adler singt wie ein Adler. Der Spatz singt wie ein Spatz. Auch ich will immer und immer wieder ein Loblied für den HERRN singen. Dieses Lied wähle ich oft für evangelistisch aus­ gerichtete Frauentreffen. Es ist leicht verständ- lich und gut zu singen. Diese Nachricht der Bibel, dass Gott jeden unterschiedlich geschaf­ fen hat und den Einzelnen in seiner Einzigartig­ keit annimmt, wie er ist, hat schon vielen Japa­ nern geholfen, freier zu werden und sich nicht immer mit anderen zu vergleichen. Wie Frau E., die einmal im Monat bei uns im Gottesdienst die Lieder begleitet. Ihr Klavier­ spiel ist oft unsicher, und oft passieren ihr auch Fehler. Doch obwohl es zwei Frauen gibt, die besser begleiten können, will Frau E. sich nicht mit ihnen vergleichen. Sie hat den Mut, mit ihrem nicht perfekten Spiel der Gemeinde und Gott zu dienen – und sie ist damit ein Vorbild. S. Priscilla Kunz l Schwester Priscilla kunz ist als missionarskind in tokio geboren und arbeitet seit 1995 in Japan. nach ihrer ausbildung und berufstätig- keit als ernährungsberaterin in der schweiz besuchte sie die bibelschule und trat in die schwesternschaft der liebenzeller mission ein. bis zur ersten ausreise war schwester priscilla im lie- benzeller gemeinschaftsver- band, bezirk karlsruhe, tätig. nach dem fünften Japan- einsatz ist sie zurzeit im heimataufenthalt. im sep- tember reist sie wieder aus, um zusammen mit einem japanischen pastor weiterhin in chikusei zu arbeiten. Abschlussfeier nach der sechsjährigen Grundschule mit den Lehrern (vorne), Schülern in ihrer Schul- uniform und den Eltern (hinten) Lange gab es nur Schulranzen in Schwarz und Rot, mittlerweile stehen mehr Farben zur Wahl. Foto: tabitha oyagi

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