MISSION weltweit – Ausgaben 2020
9 sambia darum geht’s mission weltweit 5–6/2020 Foto: archiv der evangelical university Fotos: margit schwemmle Besser hier und da Abstriche machen? Vor mir liegt ein Stapel Ausarbeitungen. Ich habe „Frauen in der Kirchengeschichte“ unter richtet und bin gespannt auf kurze Biografien über verschiedene Frauen, die in der Vergangen heit eine Rolle gespielt haben. Nachdem ich einige Arbeiten der Studentinnen gelesen habe, stelle ich fest, dass die Ausarbei tungen sehr unterschiedlich sind. Die meisten entsprechen unseren Standards für die Forma tierung: Die Ränder haben die richtige Breite, der Zeilenabstand passt, sogar Fußnoten sind eingefügt und belegen Hintergrundinformatio nen aus verschiedenen Büchern. Auch das Eng lisch ist gut verständlich. Dann lese ich die nächste Ausarbeitung: Keine Einleitung, der Zei lenabstand ist auf der ersten Seite anders als auf der zweiten, die Schriftart ist nicht durchgängig gleich; und es fällt mir schwer, den Inhalt zu erfassen, weil das Englisch recht holperig ist. Wie wichtig ist das alles? Muss ich für alle Arbei ten dieselben Regeln anwenden? Kann ich nicht einfach in Betracht ziehen, dass ganz unter schiedliche Frauen im Kurs waren? Einige waren lange nicht mehr in der Schule, andere kommen gerade vom Abitur. Kann ich nicht hier und da Abstriche machen und den persönlichen Hinter grund in die Bewertung einfließen lassen? Wie gerne würde ich das machen, weil ich weiß, wie die Studentinnen gerade mit diesen akade mischen Aspekten kämpfen. Aber wir sind eine staatlich anerkannte Privatuniversität und brau chen Standards, um unsere Akkreditierung nicht zu verlieren. Es ist meine Aufgabe in der Studien leitung, die abgegebenen Arbeiten mit den Vor gaben zu vergleichen und sicherzustellen, dass die Qualität unserer Ausbildung gehalten wird. Was eine Bewertung erschwert Zwei- bis dreimal im Jahr wird der Unterricht aller Dozenten bewertet. Unsere Studenten können ihre Meinung über Unter richtsstil und Kursinhalt abgeben. Auch Verbesserungsvorschläge sind erwünscht. Ich mache diese Bewertungen entweder selbst oder bekomme die Berichte nach einer Kursauswertung auf meinen Schreibtisch. Eine Zusammenfassung geht an den Schulleiter. Der eine Dozent macht es gut, der andere wird von den Studenten eher schlecht beurteilt. Woran liegt es, und wie oft muss ich nach fragen, um wirklich ein ausgewogenes Bild zu erhalten? Bekomme ich überhaupt eine ausgewogene Meinung? Sind die Beurteilungen nicht viel mehr von persönlichen Empfindungen der Studenten abhängig? Oder davon, ob ein Dozent eher bessere Noten gibt, obwohl die Leistungen dem nicht unbedingt entsprechen? Wie gehe ich als Studienleiterin mit solchen Bewertungen um? Dozenten haben unterschiedliche Persönlichkeiten, die beim Unterrichten zum Ausdruck kommen. Gott hat uns alle mit unter schiedlichen Charakteren geschaffen und sich etwas dabei gedacht. Kann ich das beim Vergleichen einfach außer Acht lassen? Sally Kalaba beendet dieses Jahr ihr Studium an der EU und arbeitet dann als Grundschul- lehrerin. Zurück zur Schnecke und zum Schmetterling. Muss ich die beiden überhaupt miteinander ver gleichen? Beide haben ihre Berechtigung und ihren Platz in der Natur. Beide sind von Gott geschaffen – ich brauche also gar keinen Ver gleich anzustellen. Muss ich Dozenten und ihren Unterrichtsstil vergleichen und bewerten? Ist es notwendig, die Arbeiten unserer Studenten mit Standards abzu gleichen? Als Studienleiterin sage ich: „Ja.“ Beobachten, bewerten und vergleichen geben mir die Grundlage, Hilfestellung zu geben. Wor in sind wir gut? Und was muss geändert werden, damit der Unterricht unseren Standards ent spricht und die Studenten so ausgebildet wer den, dass Gott sie zu seiner Ehre gebrauchen kann? Hier kann Vergleichen Ansporn sein, das, was wir machen, gut zu machen. Dabei will ich aber die unterschiedlichen Persönlichkeiten nicht außer Acht lassen. Gott hat uns Menschen geschaffen, damit wir „etwas seien zum Lob seiner Herrlichkeit“ (Epheser 1,12). Wenn mein Vergleichen dazu dient, dass ich oder andere angespornt werden, dieses Ziel zu erreichen, will ich gerne weiter vergleichen. Ich will aber auch lernen, mehr und mehr dar auf zu achten, dass ich nicht Äpfel mit Birnen vergleiche und Menschen in ihrer Unterschied lichkeit wahrnehme und achte. Margit Schwemmle l
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