darum geht’s frankreich 12 Woran erkennt man, dass eine fremdsprachige Person mit im Kinosaal sitzt? Durch einsames Gelächter an völlig unerwarteter Stelle! Dieses Beispiel beschreibt „hörbar“, was die französische Regierung auf ihrer offiziellen Webseite zum gemeinsamen Leben sagt: „Humor ist zweifelsohne eines der Dinge, die man nur schwer mit anderen Völkern teilen kann: Jedes Land hat seine eigene Geschichte, seine eigene Kultur, seine ihm eigenen Verhaltensregeln. Das macht den Humor jeder einzelnen Nation einzigartig. So ist auch der französische Humor aufs Engste mit einem der drei Grundwerte der republikanischen Devise verbunden: der Freiheit.“ Humor und die Meinungsfreiheit Cabu, ein bekannter Karikaturist, wurde beim Dschihadisten-Angriff auf das Redaktionsbüro der Satirezeitschrift „Charlie Hebdo“ im Januar 2015 in Paris umgebracht. Er drückte es einmal so aus: „Humor, der im Dienst der Meinungsfreiheit steht, hat keine Grenzen. Da, wo der Humor aufhört, fängt oft die Zensur oder die Selbstzensur an.1 Für die Täter des furchtbaren Anschlags auf Charlie Hebdo hatten die humorvoll gemeinten und veröffentlichten Karikaturen eine Grenze überschritten und „Heiliges angegriffen“. So betrachtete es im Oktober 2020 auch der Mörder des Geschichtslehrers Samuel Paty. Der Lehrer hatte die Karikaturen in seinem Unterricht zur Verdeutlichung der Meinungsfreiheit verwendet. Humor und die Grenzen Beide gewaltgeladenen Taten sind schrecklich, unmenschlich und sollten in keiner Gesellschaft toleriert werden. Sie machen aber auch deutlich, dass Menschen in ein und derselben Gesellschaft ein sehr unterschiedliches Verständnis von dem haben können, was „humorvoll“ ist und ob Grenzen überschritten werden. Denn respektloser Humor kann sie überschreiten und Verletzungen verursachen. Auf der erwähnten Internetseite der Regierung wird auch festgestellt: „Es ist eine alte französische Tradition, sich über Religion und Machthaber lustig zu machen. Der französische Humor ist rebellisch, polemisch, gesellschaftskritisch. Die Franzosen, die dafür bekannt sind, dass sie nie zufrieden sind und gerne meckern, haben sich ihre eigene Form von Humor maßgeschneidert: politisch, respektlos, antireligiös.“ Der Humorist Pierre Desproges soll gesagt haben: „Man kann über alles lachen, aber nicht zwingend mit jedem.“ Dieses Zitat wurde von dem Satiremagazin Charlie Hebdo immer wieder gebraucht, oft eher als Frage: „Kann man noch über alles lachen?“ Andere Komiker haben mit diesem Satz auch rassistischen Humor „gerechtfertigt“. Kann man über alles lachen? 1www.ensemble-en-france foto: katharina eckstein
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