5 mission weltweit 9–10/2021 deutsChland darum geht’s Wir fragen immer zuerst nach dem„Warum?“, dann nach dem „Wie?“ und dann „Was?“ Wir sagen nicht: „Wir brauchen Online-Gottesdienste“ und denken an Filmstudio, teure Technikausstattung und viel Arbeit. Sondern wir fragen: „Warum ist Kirche im Digitalen wichtig?“ Und die Antwort darauf hat sich im Winter 2020 plötzlich verändert: „Weil wir auch in Lockdown-Zeiten unsere Mission umsetzen möchten: Mit Gott von Mensch zu Mensch.“ – Erst jetzt suchen wir Antworten auf das „Wie“ und das „Was“. Crossmedialität ist Normalität. Crossmedialität bedeutet, dass wir über verschiedeneMedienhinwegdas„Warum“durchbuchstabieren. Das Magazin „Mission weltweit“ zusätzlich auf die Webseite der Liebenzeller Mission zu stellen, ist nicht Crossmedialität. Aber ergänzend zum Magazin einen Podcast, Videoreportagen und Diskussionsplattformen (zum Beispiel in Messenger-Diensten) zu den Themen haben, wäre es schon. Und dabei auch zu beachten, dass die Online-Konzentrationsphasen kürzer sind. Das dürften die meisten von uns im vergangenen Jahr in Videokonferenzen entdeckt haben. „Form Follows Function.“ Die Form folgt der Funktion: Dieser Grundsatz für Kommunikation gilt auch in der Gemeindearbeit und bringt die folgenden Veränderungen mit sich: Ein neues Miteinander wird möglich. Wir teilen Ressourcen, wo immer es sinnvoll ist – über Gemeinde und Verbandsgrenzen hinaus: Wir nutzen die bestehenden Gemeinde- und Verbandsstrukturen für den Austausch von Ideen und Materialien – und erweitern den Pool ganz leicht: Eine digitale Kinderkirche konnten wir während des Lockdowns dieses Jahr hier in Berlin nicht mehr stemmen. Wie gut, dass es dank des Südwestdeutschen Jugendverbands „Entschieden für Christus“ und anderen einen Online-Kigo gab – eben auch erreichbar für Kids im Osten. Auf der anderen Seite konnten wir unser Konzept der „digitalen Bibelstunde“ an andere weitergeben, um sie in ihrer Arbeit zu unterstützen. Hier bringt das manchmal Bedrohliche an der globalen Digitalisierung gigantische Vorteile: Räumliche Grenzen fallen weg. Ein neues Geben und Nehmen in der Missionsarbeit entsteht. Das „Sharing“ (Teilen) von guten Ideen und Inhalten wird basisdemokratischer. Ein neuer Anlauf für das „Priestertum aller Gläubigen“. Das möchten wir nutzen – zum Segen für Menschen.1 Es geht nicht um Perfektion, sondern um Partizipation. Natürlich braucht es Qualität. Sie ist im Digitalen vielleicht wichtiger als im Analogen. Aber sie ist nicht das Wichtigste. Sondern: Wirkt2 das, was wir tun, „echt“ und damit glaubhaft? Passt es zu uns und unserer Botschaft? Für die christliche Botschaft ist das ein Kernwert: Jesus ist nicht gekommen, um uns perfekt zu machen, sondern um Teil dieser Welt zu werden und sie zu erlösen.3 Nimm dich nicht zu ernst: Wir lieben es, auszuprobieren und Spaß zu haben. Gott liebt das Leben (er hat es schließlich geschaffen). Ich denke, dass Jesus jede Menge Lebensfreude ausstrahlte (und nein, ich bemühe hier nicht dasWeinwunder von Kana). Diese Leichtigkeit und Emotionalität darf sich auch im Digitalen zeigen. Und wenn mal etwas nicht klappt im Livestream? Dann ist das eben wie im analogen Leben auch: meistens halb so schlimm. Im besten Fall lernen wir daraus und machen weiter. Und Tutorials zeigen, wie es geht: Nachmachen ist angesagt, einfach mal ausprobieren. Wir schätzen physische Begegnungen neu wert und gestalten sie so, dass ihre Stärken voll ausgeschöpft werden. Und damit komme ich zu Tobias zurück. Während ich diesen Artikel schreibe, freue ich mich auf das Ende der Woche. Dann werde ich auf dem Rückweg von einer Dienstreise bei ihm zu Hause anhalten. Er hat mich auf eine Bratwurst eingeladen (und die schmeckt nur analog). Wir werden über vieles reden. Seinen Glauben. Und eine Sache: Freunde um ihn herum haben bemerkt, dass er sich verändert hat. Durch Jesus. Nun wollen sie mehr wissen. Was daraus wohl entsteht? Das Evangelium wandert weiter entlang von Beziehungen. Digital, aber eben auch analog. Geht hin; seid Salz und Licht; liebt die Menschen da, wo sie sind. Diesem Ruf und dieser Sendung folgen wir kreativ, aktiv und im Vertrauen, dass Gott eben auch im Digitalen schon längst auf uns wartet. Dirk Farr l PS:Wie langewir Gottesdienste streamen, wissen wir nicht. Die Online-Bibelstunde pausiert. Wer weiß, vielleicht werden wir sie in diesemWinter wieder aktivieren. Immer wieder werden wir uns die Warum-Frage stellen und entsprechend der Antwort neu entscheiden. Dirk und Angelika Farr leben seit 2006 in Berlin. dort haben sie im rahmen der „Jungen Kirche Berlin“ (JKB) eine Gemeinde für Konfessionslose im stadtteil treptow im Osten der stadt gegründet. dirk ist leitender Pastor der JKB treptow und teamleiter im Bereich Gemeindegründung der liebenzeller mission. er hat ev. theologie in Bad liebenzell, marburg und toronto studiert. angelika ist sozialpädagogin. die beiden haben drei Kinder. rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/farr 1 dieses „sharing“ fließt auch in diesen artikel ein. ein danKe geht an Katharina „haubi“ haubold, die meinen Blick auf digitalität geweitet hat. 2 „Wirkt“ ist hier bewusst gewählt: meine Beobachtung ist, dass entscheidend ist, dass es „wahr wirkt“ – das ist (leider) manchmal wichtiger als dass etwas „wahr ist“. 3 „Geht so miteinander um, wie christus es euch vorgelebt hat. Obwohl er Gott war, bestand er nicht auf seinen göttlichen rechten. er verzichtete auf alles; er nahm die niedrige stellung eines dieners an und wurde als mensch geboren und als solcher erkannt.“ Philipper 2,5-7 Sieben Thesen, wie die Missionsarbeit im 21. Jahrhundert das Digitale ernst nehmen kann 1 5 6 7 2 3 4
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