21 mission weltweit 9–10/2021 Christoph Kiess leitet die öffentlichkeitsarbeit der liebenzeller mission und ist zuständig für Pr-Konzeptionen, Presse und tV. in tübingen und Brisbane (australien) hat er rhetorik, Politik und Psychologie studiert. er ist verheiratet und hat vier Kinder. WEITERDENKEN >> sonderBeitrag zum thema Von ChristoPh Kiess Paulus als Trendsetter? Paulus’ Antrieb war, viele Menschen für Jesus zu gewinnen. Dafür ging er in die Synagoge, redete mit den Juden und Gottesfürchtigen. Das war sozusagen der klassische Kanal. Der lag auf der Hand. Aber dabei hat es Paulus nicht belassen. Sein Missionskonzept sah auch einen „neuen“ Kanal vor. Paulus ging auf den Marktplatz (Agora) und sprach dort zu den Menschen, „die gerade vorbeikamen“ (Apostelgeschichte 17,17). Er wusste: Das Wort Gottes gehört überall hin. Paulus suchte Orte auf, wo das Leben pulsierte und Neuigkeiten ausgetauscht wurden. In einer Zeit ohne Tagesschau, YouTube und Facebook brauchte er andere Kanäle. Das soziale Netzwerk des Paulus war der Marktplatz. Von Paulus zu lernen, heißt: Den richtigen Ort und das richtige Medium auswählen. Und bei der Liebenzeller Mission? Am 13. November 1899 gründete Pfarrer Heinrich Coerper den deutschen Zweig der China-Inland-Mission. Schon wenige Wochen später, am 1. Januar 1900, veröffentlichte er erstmals die Zeitschrift „Chinas Millionen“. Heinrich Coerper nutzte die Medien seiner Zeit. Ich bin mir sicher: Hätte es damals schon Facebook gegeben, hätte er auch dort über die Missionsarbeit berichtet und Menschen zum Gebet für die Missionare aufgerufen. Natürlich sollte man immer prüfen, welche Medien eine gewisse Nachhaltigkeit versprechen. Als E-Mails aufkamen, wurde in unserer Zentrale heiß diskutiert, ob man das braucht. Das Ergebnis war: E-Mails wurden nur für die „Äußere Mission“ eingeführt mit der Begründung, dass es für die Kommunikation mit den Missionarenweltweit eine Arbeitserleichterung ist und einen Geschwindigkeitsvorteil bringt. Durchsetzen würden sich E-Mails nicht, waren sich manche sicher. Es dauerte allerdings nicht lange, bis andere Arbeitsbereiche nachzogen und bald Hunderte E-Mails täglich hin und her verschickt wurden: nicht nur weltweit, sondern auch auf dem Missionsberg. Als wir uns in der Öffentlichkeitsarbeit dafür stark machten, ein Profil der Liebenzeller Mission auf Facebook einzurichten, gab es ebenfalls Bedenken: Wird es nicht regelmäßig abfällige Kommentare von denen geben, die Mission nicht so gut finden wie wir? Rückblickend kann man darüber schmunzeln, und wer weiß, ob wir heute richtigliegen, wenn wir die Liebenzeller Mission auf Facebook, Instagram, YouTube und Twitter bekanntmachen – aber aktuell auf Snapchat, TikTok und Clubhouse verzichten? Aus meiner Sicht sollten es vor allem Fragen der strategischen Ausrichtung sein, welche Kanäle genutzt werden und keine generelle Ablehnung von Medien, die von Themen besetzt oder Menschen genutzt werden, die einem fragwürdig erscheinen. Ist das nicht blauäugig? Sind die neuen Medien nicht voll von Gefahren, denen wir uns auch als Christen bewusst sein müssen? Gerade während der Pandemie saßen viele Menschen den Großteil des Tages vor dem Bildschirm und das nicht immer aus dienstlichen oder erbaulichen Gründen. Die Nutzung von Porno-Webseiten war schon vor Corona erschreckend hoch und ist durch den Lockdown nochmals deutlich gestiegen. Auch unter Christen ist das ein aktuelles und großes Problem! Liest man nicht auf Facebook reihenweise Hetze gegen Minderheiten? Verführt YouTube nicht dazu, stundenlang nervtötende Videos von albernen Teenies anzuschauen? Das alles mag sein, aber Chancen gibt es nie ohne Risiken. Und die Möglichkeiten der modernen Medien sind riesig. Wer wird gehört? Auch wenn es dazu vermutlich keine offiziellen Statistiken gibt: In den vergangenen Jahren wird kein Pfarrer, Bischof, Pastor oder Evangelist in Deutschland so viele Menschen mit der Botschaft von Jesus erreicht haben wie ein Youtuber. Philipp Mickenbecker wurde zusammen mit seinem Zwillingsbruder Johannes bekannt als kreativer Erfinder einer fliegenden Badewanne oder eines aus einem Gastank gebauten U-Bootes. Ihre Bekanntheit nutzten die beiden regelmäßig zu einem starken und klaren Jesus-Zeugnis. Als bei Philipp Krebs im Endstadium diagnostiziert wurde, ging er offen mit seiner Krankheit um und erzählte bei jeder Gelegenheit von seiner Hoffnung, nach seinem Tod bei Jesus zu sein. Er hatte auch keine Berührungsängste mit Menschen, die seinen Glauben nicht teilen. In einemGespräch mit dem Salafisten Pierre Vogel fragt er den Muslim, ob er zu Beginn beten könne. Vogel will nur, dass er zu Gott betet, nicht aber zu Jesus. Mickenbecker aber bleibt hartnäckig, betet und lädt Jesus ein, bei demGespräch dabei zu sein. Sein Gebet hören Tausende Muslime. Am 9. Juni 2021 starb Philipp im Alter von 23 Jahren. Sein Bruder und seine Freunde veröffentlichten daraufhin ein Video, in dem sie über Philipps tiefen Glauben sprachen und berichteten, dass sich unter anderem einer seiner Freunde kurz nach Philipps Tod taufen ließ. Das T-Shirt dieses Freundes trug die Aufschrift „Jesus macht alles neu“. Innerhalb einer Woche hatten fast fünf Millionen Menschen dieses Video gesehen. Das Medium ist nicht entscheidend, die Botschaft ist es. Aber ohne Medien kommt sie nicht an. Jesus hat gesagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich mitten unter ihnen“ (Matthäus 18,20). Das gilt für den Marktplatz genauso wie für Instagram, Facebook oder YouTube. Da bin ich mir sicher. l das medium ist nicht entscheidend, die Botschaft ist es. 2. Juni 1981: Der erste Computer auf dem Missionsberg wird in Betrieb genommen.
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