MISSION weltweit – Ausgaben 2021

22 ratlos Jedes Unternehmen, das etwas auf sich hält, formuliert heute ein „Mission Statement“, indem es seine Ziele für Mitarbeitende und Kunden transparent macht. Auch die Raumfahrt wurde und wird als eine „Mission“ verstanden. Das amerikanische Raumfahrtprogramm der 1960er-Jahre trug den Titel „Mission to the Moon“, und gegenwärtig beschäftigt man sich mit dem Projekt einer „Marsmission“. Es gibt diplomatische, geheimdienstliche und militärische Missionen, und wenn Letztere erfolgreich erfüllt sind, dann machen die „Gesandten“ ihren (Ober-)Befehlshabern Meldung mit den Worten: „Mission accomplished!“ Vor diesem Hintergrund überrascht es auf den ersten Blick, dass die Urform des Begriffs, nämlich die christliche Mission, keine „Konjunktur“ hat, im Gegenteil. Nicht nur christlicher, sondern religiöser Mission im Allgemeinen weht ein scharfer Wind ins Gesicht. Wenn hier etwas Konjunktur hat, dann das „Mission-Bashing“1. Religiöse Mission wird als Störfaktor einer freien, offenen, pluralen und multikulturellen Gesellschaft verstanden. Selbst in ratlos vor der aversion gegen mission wurf, dass Missionare „imperiale Agenten“ und christliche Mission das bereitwillige religiöse Instrument der kolonialen Eroberung Afrikas, Asiens und Lateinamerikas durch den Westen gewesen seien. Vielmehr brachte umgekehrt die beißende akademische Kritik an „kolonialistisch verseuchten Missionsgesellschaften“ die Missionskrankenhäuser, Missionsschulen und Entwicklungshilfeprojekte, die von Missionaren gegründet und betrieben wurden, in große Bedrängnis und Erklärungsnot. Die Auswirkungen bekam Lamin Sanneh als junger Mann selbst zu spüren. Nachdem er sich vom muslimischen zum christlichen Glauben bekehrte, wollten ihn weder ein methodistischer noch ein katholischer Missionar taufen, weil die Verunsicherung über den missionarischen Auftrag eine paralysierende Wirkung entfaltete. Der Schatz in lokalen Gefäßen Lamin Sanneh leugnete nie, dass es auch finstere, ja schreckliche Epochen der Missionsgeschichte vor allem im Zuge der „christlichen Eroberung“ Lateinamerikas gab und nicht alle Missionare frei von Raskirchlichen Kreisen wird der Begriff häufig als peinlich empfunden („Wir wollen ja niemand missionieren …“), und Missionswerke sehen sich genötigt zu erklären, dass sie „keinesfalls mit Zwang und Manipulation“ arbeiten (als ob das die allgemein übliche Form von Mission wäre). Jahrzehntelang wurde der Begriff Mission im sogenannten postkolonialen Diskurs, in dem die Folgen des Kolonialismus aufgearbeitet werden, verzeichnet und diskreditiert. Mission und Kolonialismus werden immer wieder bewusst identifiziert, und christlicher Mission wird eine historische Mitverantwortung für die vielen negativen Folgen des Kolonialismus aufgebürdet. Diffamierung und die Folgen Genau dieser Diffamierung christlicher Mission widmete der aus Gambia stammende Inhaber der William-James-Professur an der University of Yale, Lamin Sanneh (1942–2019), einen Großteil seiner Aufmerksamkeit und Forschung. In seinem Buch „Translating the Message. The Missionary Impact on Culture”2, das 13 Auflagen erreichte, entkräftet Sanneh den Vor- „mission“ hat Konjunktur. der Begriff avanciert zum modewort der gegenwart. nicht nur im sport spricht man von der „mission titelverteidigung“ oder – bei den olympischen spielen – der „mission gold“. 1 als Bashing bezeichnet man eine öffentliche Beschimpfung. 2 die Botschaft übersetzen. der einfluss der mission auf die Kultur. illustratiOn: martin hauG

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