Meklit Berhanu Meklit, hast du den Eindruck, dass dir die Menschen aufgrund des sichtbaren Migrationshintergrundes anders begegnen? Ich werde immer wieder gefragt, woher meine Eltern stammen oder woher ich komme. Aber ich habe nie Ausgrenzung oder Anfeindung erlebt. Natürlich verletzt es mich, wenn über Ausländer respektlos geredet wird. Inzwischen spreche ich verletzende und abwertende Äußerungen an, auch wenn ich dann auf Unverständnis oder Ignoranz stoße. Was wäre deiner Meinung nach die korrekte Umgangsform? Ich spreche besonders für Menschen, die Deutsche sind, aber immer wieder aufgrund ihres Aussehens über ihre „eigentliche Herkunft“ ausgefragt werden. Gedankenlos wird nach den Auswanderungsgründen der Eltern oder Großeltern gefragt. Jedem mit Migrationshintergrund werden fast immer diese Fragen gestellt und das schon beim ersten Gespräch. Das überschreitet die Privatsphäre. Versetzt man sich selbst in diese Lage, kann man erahnen, wie nervig und mühsam es sein kann, bei jeder neuen Begegnung über seine Familiengeschichte oder das Herkunftsland der Eltern ausgefragt zu werden. Zu diesem hat man vielleicht auch keine Verbindung. Ich liebe es, über Äthiopien zu reden, und ich fühle mich sowohl in Deutschland als auch dort beheimatet. Ich kenne jedoch viele, die hier aufgewachsen sind und solche Fragen als unangebracht empfinden. Aber man kann nicht immer von außen beurteilen, was angebracht ist oder nicht. Deshalb ist es ratsam, sensibel mit solchen Fragen umzugehen. Was wünschst du dir von der Liebenzeller Mission? Es gibt so viele kompetente Pastoren und Jugendleiter mit Migrationshintergrund. Es wäre daher lohnend, auch außerhalb der eigenen Kreise nach solchen Leuten Ausschau zu halten. Ich glaube, dass man viel voneinander lernen kann. Leider kenne ich im Liebenzeller Umfeld kaum Hauptamtliche mit Migrationshintergrund. Dein tipp für Christen und christliche Gemeinden: Wie kann man unbefangen auf Menschen aus anderen Ländern und kulturkreisen zugehen? Man grenzt Menschen aus durch Vorurteile. Aber ich wurde in meinem Studium bei der intensiven Beschäftigung mit Lukas 6,36-42 durch den Heiligen Geist regelrecht überführt, barmherzig zu sein und nicht zu urteilen. „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“, das ist keine Bitte, sondern eine Aufforderung. Jesus spricht ganz klar davon, dass wir mit dem Maß, mit dem wir andere messen, auch gemessen werden. Ich muss das unbedingt in meinem Leben ändern, wenn ich selbst Vorurteile gegenüber Menschen habe. Mich um meinen eigenen Balken kümmern. Mit mir und anderen barmherzig sein. Sie so behandeln und so über sie denken, wie ich das auch bei mir möchte. Das ist manchmal ein anstrengender Prozess, den wir aber nicht alleine gehen müssen. Gott ist da und hilft uns darin. Wir haben alle immer schon Vorurteile gehabt, aber das muss nicht so bleiben. die fragen stellte claudius schillinger Meklit Berhanu ist 23 Jahre alt, in Äthiopien geboren und seit ihrem achten lebensjahr in Frankfurt/Main aufgewachsen. sie studiert theologie und soziale arbeit an der internationalen hochschule liebenzell. Zum Thema dieser
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