11 mission weltweit 7–8/2022 JaPan darum gehts Am Arbeitsplatz wird von Angestellten meistens erwartet, dass sie mindestens so lange im Büro bleiben wie ihr Chef. Da die Arbeitsbeziehungen als die wichtigsten gelten, kann erwartet werden, dann noch mit Chef und Kollegen etwas trinken zu gehen – oder selbst sonntags zu arbeiten. Die Arbeitsplätze sind in Gruppen organisiert, sodass die Abwesenheit oder der Fehler eines Einzelnen schändlich und problematisch für das ganze Team werden. Die Arbeit beansprucht Vorrang: vor dem persönlichen Glauben und zum Teil vor den Interessen der Familie. ich gehöre (zu) Christus! Es ist in Japan fast selbstverständlich, beim Kennenlernen Visitenkarten auszutauschen. Dies dient vor allem dazu, den Status und die Zugehörigkeit des Gegenübers festzustellen. Auch wenn ich mich nur mündlich vorstelle, nenne ich zunächst die Organisation oder Kirche, zu der ich gehöre, und meine Position dort. Erst wenn die Zugehörigkeit geklärt ist, folgt der Name. Auch der Status von Schülern, Studenten und Absolventen wird weniger an ihren individuellen Leistungen gemessen als vielmehr an der Reputation der Schule oder Universität, zu der sie gehören. Die Frage: „Zu wem gehörst du?“, ist entscheidend für die eigene Identität – und dies gilt nicht nur für Japaner! Im Philemon-Brief lehrt Paulus den entlaufenen Sklaven Onesimus, seinen früheren Herrn Philemon sowie die übrigen Gemeindeglieder, dass sie ihre Identität, ihre Beziehungen zueinander und ihre Wertschätzung füreinander allein von ihrer Stellung in Christus herleiten sollen – nicht von ihrem sozialen Status oder der Herkunft. Paulus selbst bezeichnet sich als „Gefangenen Christi“, „alten Mann“, „Mitarbeiter“, als jemand, der Erholung und Unterstützung braucht. Und doch beansprucht er gleichzeitig die Autorität, den Gemeinden Weisung zu erteilen. Als er machtlos im Kerker sitzt, anstelle auf den Marktplätzen das Evangelium zu verkündigen, kommt er sich nicht wertlos vor. In Bezug auf Identität und Selbstwert spielen für Paulus seine Ketten und seine scheinbare Schwachheit überhaupt keine Rolle! In anderen Worten: Sei es Gefangenschaft, Quarantäne, Krankheit, Ohnmacht, sozialer Status, Herkunft oder Macht – der Zustand, in dem wir uns befinden, sagt nichts darüber aus, wer wir sind. Unsere Identität und unser Selbstwert werden nicht bestimmt von Umständen, sondern von Beziehungen – und ganz entscheidend von der Beziehung zu Jesus! Paulus beschreibt alles in seinem Leben vom Standpunkt aus, „in Christus“ zu sein. Dies gibt seinem Leben einen persönlichen Wert, der unabhängig ist vom sozialen Status oder dem, was er Wertvolles oder Nützliches zur Gesellschaft beitragen kann. Herausforderung für die Gemeinde Viele Japaner scheuen sich davor, in die Kirche zu gehen. Sie denken, sie seien nicht gut genug. Sie haben Angst, von anderen beurteilt oder verurteilt zu werden. Die Gemeinden hier tendieren dazu, Menschen nach ihremweltlichen Titel und Status zu bewerten anstelle als Geschwister oder Partner. Sie sind versucht, sich ständig mit anderen zu vergleichen und zu wetteifern, suchen ihren Wert in Zahlen, einflussreichen Mitgliedern oder der Popularität ihres Pastors. Dies ist eine besondere Herausforderung für die Kirche in Japan. Als Familie Gottes sollte sie andere nicht verurteilen oder kontrollieren, sondern lieben und beleben. Schließlich finden Christen ihren Selbstwert in Christus selbst. Ihr Verhalten wird – auf dem Fundament seiner Gnade – bestimmt von Gottes Anspruch und seinen Erwartungen. Ihren Status erhalten sie als Mitglieder in Gottes Familie. Beim Nachdenken und Reflektieren über die japanische Kultur wird mir bewusst, was unsere Glaubensgeschwister dort genauso wie ich brauchen: Vor allem Ermutigung und Konzentration darauf, die Identität als Kind Gottes im täglichen Leben und in den Beziehungen freudig zu leben und sich nicht vor den „Beobachtern“ zu fürchten. Denn unsere Identität und unser Selbstwert werden nicht bestimmt von den Umständen, sondern von unserer Beziehung zu Jesus Christus! Andreas Gross l Andreas und rahel Gross haben vier kinder und leben seit Dezember 2009 in Japan. Zu ihren Aufgaben gehören seit Juni 2020 die teamleitung, die Anleitung neuer missionare und die Vorbereitung einer neuen gemeindegründung in inagi, einem Vorort tokios mit 90.000 einwohnern. Zuvor waren Andreas und rahel im gemeindeaufbau in ome tätig. Beide haben nach dem Abitur die Ausbildung am theologischen seminar der Liebenzeller mission absolviert und waren zwei Jahre beim Liebenzeller gemeinschaftsverband tätig. rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/gross Oben: Bei den Freizeiten in Okutama machen viele ihre Beziehung mit Jesus fest oder vertiefen sie. Nach zwei Jahren Zwangspause durch Covid können endlich wieder Sommerfreizeiten stattfinden. Rechts: Der Teenkreis in Nakanoshima traf sich auch während der Pandemie regelmäßig zum Badmintonspielen auf dem Gelände der Missionszentrale. foto: trAugott ockert foto: AnDreAs gross
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