MISSION weltweit – Ausgaben 2022

mission weltweit 11–12/2022 7 japan darum gehts Fotos: lothar sommer erinnerte er sich an ein Buch, das er vor vielen Jahren im Jugendgefängnis von einem Pastor bekommen hatte. Er begann, darin zu lesen. Es enthielt Lebensberichte von ehemaligen Mitgliedern der Yakuza, deren Leben durch Jesus radikal verändert wurde. Beim Spazierengehen entdeckte Takeshi irgendwann das Schild unserer Gemeinde und tauchte einfach im Gottesdienst auf. Er hatte gleich viele Fragen, und von da an trafen wir uns fast wöchentlich zum Bibellesen und Reden. Nach einiger Zeit traf er eine Entscheidung für Jesus und ließ sich taufen. Es war sehr ermutigend für mich, zu sehen, wie er im Glauben langsam wachsen durfte und sich positiv veränderte. Doch irgendwann bat er darum, mit den wöchentlichen Treffen zu pausieren. Er blieb auch dem Gottesdienst fern. Bis heute kenne ich nicht den wahren Grund dafür. Einmal wollte ich ihm ein Weihnachtsgeschenk vorbeibringen. Aber als sein Vater mich erkannte, winkte er nur ab und verschwand wieder im Haus. Enttäuscht zog ich wieder ab. Seither habe ich leider keinen Kontakt mehr zu Takeshi. Ich denke auch an Nozomi*, die wir im Kindergarten kennenlernten. Unsere Kinder waren in der gleichen Gruppe. Tabea konnte zu ihr und anderen Müttern eine enge Beziehung aufbauen. Nozomi und ihre Familie besuchten zuerst verschiedene Spiel- und Sportveranstaltungen unserer Gemeinde und nahmen später auch regelmäßig am Kindergottesdienst teil. Nozomi öffnete sich immer mehr für Jesus und entschied sich zur Taufe, obwohl es in ihrer Familie heftige Widerstände gab. Auch ihr Wachstum im Glauben und die Freundschaft mit ihr waren eine große Ermutigung für uns. Als für uns ein Umzug anstand, war es sehr schwer, sie zurückzulassen. Es war auch schmerzhaft, irgendwann zu hören, dass der Kontakt zur Gemeinde immer weniger wurde. Mit ausschlaggebend dafür war, dass ihre Tochter an Corona erkrankte und mehrere Tage allein im Krankenhaus bleiben musste. Die Enttäuschung darüber löste eine tiefe Glaubenskrise in Nozomi aus. Wenn der Wunsch nach Hoffnung erfüllt wird Es gäbe viele weitere Erlebnisse, die wir unter der Rubrik Enttäuschungen verzeichnen könnten, weil uns manchmal die Hoffnung abhandenkam, dass sich etwas zum Guten verändern könnte. Gerade in solchen Zeiten wünscht man sich wieder Hoffnung. Dieser Wunsch kommt für mich auch in dem japanischen Wort für Hoffnung, „kibou“, zum Ausdruck. 希望. Auch dieses setzt sich aus zwei Schriftzeichen zusammen: Das erste kann man mit „Wunsch“ übersetzen, das zweite ist uns schon im Wort für Enttäuschung begegnet und bedeutet auch hier „Hoffnung“. Ich merke mir das Zeichen so: Der Wunsch nach Hoffnung geht in der Enttäuschung verloren. In der japanischen Bibel tauchen beide Begriffe zusammen in Römer 5,5 auf: „Hoffnung aber lässt nicht zuschanden werden; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsre Herzen durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist.“ Die japanische Übersetzung des ersten Teils lautet in etwa: Unsere Hoffnung wird nicht in Enttäuschung enden. Das erlebten wir trotz Dämpfern und unbeantworteten Fragen immer wieder. Im Rückblick können wir manche Enttäuschungen sogar als Geschenk sehen.Wie zumBeispiel die vermasselte Prüfung in der Sprachschule. Diese Ent-Täuschung hat mich von der Täuschung befreit, dass Gott mich nur mit guten Noten und perfekten Sprachkenntnissen in Japan gebrauchen kann. Auch das Erlebnis mit der Wasserflasche in meinem Rucksack machte mir etwas deutlich. Selbst wenn die Seiten in meiner Bibel noch so viel Wasser aufsaugen: Gottes Wort und seine Versprechen werden dadurch nicht verwässert. Durch seine Liebe, die er in unser Herz ausgegossen hat, schenkt er eine ewige Hoffnung, die nicht in Enttäuschung enden wird. Lothar Sommer l Lothar und Tabea Sommer leben seit 2008 in Japan und waren bis Sommer 2020 in einer großen Gemeinde in YokohamaHongodai vorwiegend in der Jugendarbeit im Einsatz. Aktuell arbeiten sie in der Gemeinde in Kamoi mit und leiten das Programm „impact-move“ in Japan. Lothar war vor seinem B.A.- Theologiestudium in Bad Liebenzell Krankenpfleger, Tabea ist Groß- und Außenhandelskauffrau sowie Heilerziehungspflegerin. Die beiden haben zwei Kinder. Rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/sommer Linkes Bild: Rotlichtviertel von Tokio, hier hatte Takeshi* Einfluss Rechtes Bild: Bei der Taufe von Nozomi* F U N D S T Ü C K „Alles kann Gott, nur eines nicht: Die enttäuschen, die ihm vertrauen.“ Pfr. Ernst Modersohn (1870–1948)

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