mission weltweit 11–12/2022 9 bangladesch darum gehts Doch unser neuer Lebensabschnitt begann damit, dass der Flug genau für den Tag gebucht war, an dem Corona erste Konsequenzen für Reisen hatte: Die Maschine hob ab, Europäer durften aber nicht mitfliegen. „Macht nichts, Mund abwischen und weiter“, denkt sich der Missionar. Nach einem halben Jahr Zwischenphase konnten wir endlich im Herbst 2020 ausreisen. Voller Freude lernten wir fleißig die Sprache und freundeten uns mit den Menschen an. Gemeinsam mit den Teamkollegen erwarteten wir, dass Gott den Weg weiter segnet und Gelingen schenkt. Doch im Februar 2021 wurden unsere Visa-Anträge abgelehnt. Enttäuscht ist nur, wer auch etwas erwartet hat Katrin konnte es nicht fassen. Sie war fest davon überzeugt, dass Gott das Wunder schenkt und wir bleiben dürfen. Unsere Teamkollegen und einheimische Mitchristen teilten ihre Hoffnung. Für Micha waren die Fakten klar: Wir müssen gehen und überlegen, wie es weitergeht. Nach der Verabschiedung im Projekt reisten wir in die Hauptstadt, bereit für die Rückreise nach Deutschland. Doch dann, sehr kurzfristig, erreichte unsere einheimischen Partner die Info, dass der Visa-Prozess in eine neue Runde geht. Wir durften bleiben! Ich stand zu Recht als Kleingläubiger da. Wohl dem, der von Gott Konkretes erwartet! Dazu ermutigt uns Jeremia 33,3: „Rufe zu mir, dann will ich dir antworten und dir große und geheimnisvolle Dinge zeigen, von denen du nichts weißt!“ Enttäuschungen können helfen, Gott besser zu verstehen In der Verarbeitung dieser Erlebnisse sprach ich deutlich zu Gott: „Herr, ich erwarte von dir, dass du tatsächlich die Visa schenkst!“ Fast täglich betete ich so, bis wir im Juni 2021 erfuhren, dass wir doch das Land verlassen müssen. Dieses Mal hatte niemand die Hoffnung, dass sich noch etwas ändert, es war irgendwie endgültig. Die Enttäuschung war groß. Ich kam mit einem bangladeschischen Verantwortungsträger ins Gespräch. Er konnte nicht verstehen, warum Gott sich in dieser Sache nicht als Sieger erweist, und bat dringend darum, dass wir wiederkommen. „Was ist, wenn Gottes Wege nicht die für uns offensichtlich Richtigen sind?“, fragte ich. Was, wenn Gott durch vermeintliche Niederlagen sein Ziel erreicht? War Jesu Weg nicht auch erst mal eine Enttäuschung, besonders für seine Jünger? Ich bin Gott sehr dankbar für die erste Lernerfahrung: Es lohnt sich, von ihm etwas zu erwarten. In gewisser Weise bin ich auch dankbar für die zweite Lektion: Als sein Kind darf ich ihm meine Hoffnungen und Wünsche bringen. Egal, was kommt, er bleibt mein Vater. Ich und andere haben durch diese Erlebnisse Gott noch intensiver kennen- und verstehen gelernt – ist das nicht auch Teilhabe an seiner Herrlichkeit? Unser Motto lautet: Ein Missionar reist engagiert in ein fremdes Land und strahlt dort Gottes Herrlichkeit aus. Auch wenn es weit gegriffen ist, behaupte ich, dass dies nicht nur für Missionare gilt. Jeder Christ sollte engagiert leben und Gottes Herrlichkeit widerspiegeln! Micha Ulmer l Micha und Katrin Ulmer sind im Herbst 2020 erstmals nach Bangladesch ausgereist und können endlich am 29. Oktober 2022 dorthin zurückkehren. Zunächst widmen sie sich weiterhin dem Kennenlernen von Sprache und Kultur. Nach seiner Ausbildung zum Maurer studierte Micha Theologie an der Internationalen Hochschule Liebenzell. Anschließend arbeitete er in der Liebenzeller Gemeinschaft Blankenloch. Katrin sammelte Auslandserfahrungen während eines Kurzeinsatzes in Afrika, studierte Soziale Arbeit und betreute Wohnungslose im Wichernhaus der Pforzheimer Stadtmission. Die beiden sind Eltern von Zwillingen. Rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/ulmer Gesegnete Erwartungen und Enttäuschungen Ein Missionar reist engagiert in ein fremdes Land und strahlt dort Gottes Herrlichkeit aus. Mit diesem Vorsatz wollten Katrin und ich im März 2020 nach Bangladesch ausreisen. F U N D S T Ü C K „Viele Wünsche, viele Enttäuschungen.“ bengalisches Sprichwort Micha und Katrin mussten eine lange Hängepartie durchstehen Foto: micha ulmer
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