darum gehts Frankreich 4 Dass wir nicht mehr in Deutschland leben, wurde uns so richtig bewusst, als wir an unserem damaligen Wohnort in der Normandie einige Tage blockiert waren. Es gab keinen Kraftstoff mehr zu kaufen. Eine von der Regierung angekündigte Reform hatte große Empörung hervorgerufen, weshalb „die Guten“ zu drastischen Mitteln griffen und Raffinerien und Transportwege effizient blockierten. Wenn wir den verschiedenen Parteien in einem solchen Szenario Gehör schenken, merken wir schnell, dass es gar nicht so einfach ist, herauszufinden, wo da die Guten und wo die Bösen sind. Viel eher stellen wir fest, dass die Bewertung in der Regel sehr subjektiv ist. Die Bösen sind immer auf der anderen Seite. Ein Phänomen, das uns alle betrifft Die letzten Jahre haben deutlich gemacht, dass dieses Phänomen nicht nur bestimmte Gruppen der Gesellschaft betrifft, sondern ein zutiefst menschliches Verhalten ist. Spätestens die Krise um Covid-19 hat gezeigt, dass es nicht nur Randgruppen sind, die eine Tendenz zu Spaltung, Stigmatisierung und Misstrauen haben. Unsere Gesellschaft, unser Menschsein scheint bis ins tiefste Innere damit durchsetzt zu sein. Besonders in den vergangenen Jahren sind sichtbare Gräben entstanden. Gräben, die unsere Gesellschaft spalten und sich durchziehen bis in Gemeinde und Familie. In unseremGemeindegründungsprojekt inMontpellier blieben Leute weg. Die einen aus Angst, weil es unverantwortlich sei, sich in solchen Zeiten zu treffen, selbst wenn es offiziell erlaubt ist. Die anderen, weil wir uns zu einem Teil des freiheitsberaubenden Systems machen würden, wenn wir uns an geltende Regeln halten. Dieses Paradox zeigt deutlich, wie weit die Meinungen an diesem Punkt auseinandergehen. Es verdeutlicht zugleich, welch eine zerstörerische Kraft in einem solchen Thema liegt – und dass mancher Kampf für „das Gute“ im Letzten gar nicht so viel Gutes bringt wie gedacht. Wir leben und arbeiten im land der streiks. nicht erst seit gestern ist Frankreich bekannt für die teils heftig geführten proteste. brennende mülltonnen, belagerungen oder lange märsche – man versucht, seine position mit großer vehemenz deutlich zu machen. dabei ist klar: „Wir sind die guten und kämpfen gegen die bösen.“ Die Bösen auf der anderen seite Demonstranten werfen Farbbeutel gegen ein Gebäude der „Banque de France“ in Straßburg. foto: istockphoto/aDrian hancu
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