MISSION weltweit – Ausgaben 2022

14 darum gehts mikronesien Auch andere Leute haben uns immer wieder mal besucht. Zuerst brachten sie eine Ananas, dann folgte die Bitte, ob wir ihnen Medizin geben könnten. Das Geschenk diente als Vorbereitung, um uns „wohlgesonnen“ zu stimmen. Wir gaben ihnen die Kopfschmerztabletten und verschmausten die Ananas. Es war bereits dunkel, als ein Student zu mir kam und mich bat, ihn zu seinen Verwandten zu begleiten. Auf dem Weg dorthin erzählte er mir von seiner Cousine imTeenageralter, die sich sehr seltsam verhielt, was die Familie erschreckte. Alswir imHaus der Verwandten ankamen, waren viele Angehörige im größten Raum versammelt. Wir saßen in einem Kreis. In unregelmäßigen Abständen bekam das Mädchen Krämpfe. Sie weinte oder schrie etwas, was ich nicht verstand. Ihre Familie versuchte, sie zu beruhigen. Wurde die Cousine von bösen Mächten beeinflusst? Oder hatte ihr seltsames Verhalten medizinische Gründe? Ich wusste von der Familie nur, dass sie aus Chuuk stammt, aber auf Guam lebt. Ich hatte weder eine Erklärung für das, was ich beobachtete, noch eine Idee, wie ich damit umgehen sollte. In diesem Moment erinnerte ich mich an den Rat eines Missionars. Er hatte gesagt, dass wir manche Phänomene nicht eindeutig zuordnen können und dass wir vertrauensvoll mit Gottes Hilfe rechnen sollten. Und das taten wir an diesem Abend. Wir beteten zu Gott, dass er eingreift und die Cousine vor finsteren Mächten schützt –, und dass sie seinen Frieden erfahren möge. Zwischendurch lasen wir Psalmen und Verse aus dem Neuen Testament. Nach etwa eineinhalb Stunden hatte sich das Mädchen beruhigt, und der Student und ich fuhren zum Schulgelände zurück. Wie erkenne ich gut und böse? Ein anderer Student sagte mir, dass in Chuuk alles, was mit Magie zu tun hat, dem Bösen zugeordnet wird. Denn wer diese Mächte einsetzt, will dem anderen schaden. Magie wird von einer Generation zur nächsten weitergegeben und ist Teil des kulturellen Erbes der Inselgruppe. Erst als das Evangelium mit den Missionaren nach Chuuk kam, wurde Magie als böse erkannt. Über ihren Einsatz wird nicht offen gesprochen. So war ein leitender Pastor in Chuuk entsetzt über seinen Sohn, als er in dessen Fahrzeug ein kleines Fläschchen entdeckte. Der Pastor wusste sofort, dass es sich hierbei nicht um ein harmloses Parfümfläschchen handelte, sondern um einen Schutzzauber gegen das Böse. Durch die Missionare und die gegründeten Gemeinden breitete sich das Evangelium aus, und viele Menschen in Chuuk verfügen heute über ein biblisches Grundwissen. Das heißt jedoch nicht, dass alle eine persönliche Beziehung zu Jesus als ihrem Herrn und Heiland haben. Oft ist nur noch ein traditioneller Glaube übrig geblieben. Die erste Generation der Christen erlebte die umgestaltende Kraft des Evangeliums und wurde von der Furcht vor den Geistern durch Jesus befreit. Wer diese Kraft nicht kennt, sondern auf die Auswirkungen der Magie achtet, lässt sich leicht in ihren Bann ziehen. Böses Verhalten ist nicht immer offenkundig. In Chuuk wird sehr viel Wert auf Ehre und Scham gelegt. Ehrbares Verhalten zeigt sich in Gehorsam und Respekt. Das sind zunächst gute kultuHartmut und Urte Scherer sind seit 1997 Missionare in Mikronesien, zunächst auf chuuk, jetzt auf guam. sie arbeiten als Dozenten an der theologischen universität Mikronesien (piu). Beide haben die ausbildung am theologischen seminar der liebenzeller Mission absolviert. Zuvor war hartmut als ingenieur im fahrzeugbau tätig, urte als Dipl.finanzwirtin (fh). rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/scherer ist das gut oder böse? eine Frau kommt mit ihrem sohn und bringt uns eine riesige, reife bananenstaude. dazu schenken uns die beiden einen großen thunfisch, frisch gefangen. einfach so. keiner hat geburtstag. es gibt kein Fest oder einen anderen anlass. sie möchten uns etwas gutes tun und uns eine Freude machen. es ist ihnen gelungen. Ein Geschenk – einfach so! fotos: hartMut scherer

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