11 mission weltweit 7–8/2023 ge Diskussion. Ich versuche, ihre Meinungsverschiedenheit nachzuvollziehen, doch das Kernproblem will sich mir nicht so recht erschließen. Hat dieser emotionale Ausbruch einen anderen Grund? Ich hake ein wenig nach, frage tiefer, bis schließlich eine Verletzung ans Licht kommt: Bei einem Telefonat hatte Rojna gegenüber der kränklichen Asha angedeutet, dass diese nur wegen des Mittagessens zu mir käme. Das war heute ausgefallen – und schon hätte sie kein Interesse mehr am Treffen gehabt. Dieser Vorwurf hatte Asha schwer getroffen, und so saßen die zwei Frauen nun da, verärgert und verletzt. Nach den gegenseitigen Anschuldigungen schlage ich vor, dass wir drei uns etwas Zeit nehmen, um auf Gottes Stimme zu hören und um die Hilfe des Heiligen Geistes zu bitten. ER kann uns trösten und Weisheit geben. Nach dem Gebet sollten wir einander erzählen, was uns der Geist Gottes aufs Herz gelegt hat. Plötzlich hören sich die Worte der vorher so harsch klingenden Rojna ganz anders an: „Jesus hat mir gezeigt, dass ich mich bei dir entschuldigen soll, Asha. Es tut mir leid. Was ich gesagt habe, war nicht gut.“ Was Unrechtsbewusstsein und Gnade verbindet Die Beziehung zum himmlischen Vater macht uns Menschen beziehungsfähig, denn ER schenkt uns ein neues Herz. Das wurde mir eindrücklich klar, als zu den Treffen mit Asha und Rojna noch mehr Frauen dazustießen. Wir unterhielten uns darüber, was der Heilige Geist in unserem Leben tut. Da platzte eine Teilnehmerin heraus: „Als ich anfing, Jesus nachzufolgen, war die erste Veränderung, dass ich Schuldgefühle bekam, wenn ich etwas Schlechtes tat. Das kannte ich vorher nicht!“ Etliche Frauen stimmten ihr zu. Mich überraschte das im ersten Augenblick. „Ist es das, was Gott uns als Vater geben will, Schuldgefühle?“, wunderte ich mich. Darüber musste ich nachdenken. Dann dämmerte mir, dass dieses Bewusstsein für Unrecht mit etwas anderem beginnt: mit der Gnade, durch Jesus freigesprochen und wertgeschätzt zu sein. Nachdem eine unserer Angestellten viel von der Gnade Gottes gehört hatte und von der Chance, dass Gott durch Jesus die Schuld vergibt, fing sie eines Tages auf einmal heftig an zu weinen. Unter Tränen gestand sie, dass sie als Teenager ihren sieben Jahre jüngeren Bruder oft heftig geschlagen hatte. Nun, viele Jahre später, sei ihr das urplötzlich wieder in den Sinn gekommen. südasien darum gehts Sie weinte bitterlich über ihr Fehlverhalten und den Schaden, den sie angerichtet hatte. Weshalb war ihr das gerade jetzt wieder eingefallen? Ich glaube, sie wurde von der Gnade ergriffen. Hoffnung kam auf, dass ihre Anklage fallen gelassen und ihre Ehrhaftigkeit wieder hergestellt werden würde durch den gerechten Richter. Dem, der einen Weg gefunden hat, uns rechtmäßig zu begnadigen – durch Jesus, die Tür zur Gnade. Wer ein Urteil fürchten muss, versucht sich in der Regel zu verteidigen. Wer sich schämt, vermeidet es, über seine Fehler zu reden. Doch wem der Freispruch und die Wertschätzung gewiss sind, der kann alles zugeben. Was Paulus zu bedenken gibt Der Apostel stellt eine interessante Frage, die mir hier auch immer wieder begegnet: Wenn einem alles vergeben wird, heißt das dann nicht, dass man tun und lassen kann, was man will? Die Bibel sagt, dass Gottes Barmherzigkeit von einer Art ist, die uns zur Umkehr leitet (Römer 2,4). Wir alle kennen das: Hilfe anzunehmen macht demütig. Demütig zu sein bedeutet nicht, sich kleinzumachen oder sich minderwertig zu fühlen. Es ist vielmehr eine realistische Einschätzung der eigenen Position in dieser Welt und gegenüber dem himmlischen Vater. Wer verstanden hat, dass diese dringend benötigte „Hilfe“ Gottes, SEINE Vergebung, sogar ohne jeden Vorwurf und ohne beschämende Vorhaltungen zu uns kommt, der erhält ein demütiges Herz, ein weiches Herz, das Fehler eingestehen kann und bereit ist zur Umkehr. Ich hörte einmal einen Pastor sagen: Das Hauptmerkmal eines Menschen, der schon lange Jesus nachfolgt, sei nicht, dass er keine Schuld mehr auf sich lädt, sondern, dass er seine Schuld schnell erkenne und bekennen könne. Dieser Satz hat sich mir tief eingeprägt. Sagen zu können: „Ich habs verbockt, bitte vergib mir“, ist Kennzeichen einer von Gottes Geist geprägten Kultur und damit ein aussagekräftiges Charakteristikum eines Jesusnachfolgers. Johanna l Betrachtest du seine große Güte, Nachsicht und Geduld als selbstverständlich? Begreifst du nicht, dass Gottes Güte dich zur Umkehr bringen will? Römer 2,4 Links von der Trennmauer ist unser Schlafzimmerfenster fotos: johanna
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