MISSION weltweit – Ausgaben 2023

darum gehts FraNkreIch 8 Vor allem bei Begegnungen mit alten Menschen merke ich, dass sich viele Gedanken über Himmel und Hölle machen und sehr unsicher sind. Die meisten verlassen sich darauf, dass sie ihr Leben lang zur Messe gegangen sind und eine gute Beziehung zum Priester haben. Aber wenn es ums Sterben geht, kommen deutliche Fragen auf. Seit einigen Wochen besuche ich eine Frau in einem Altenheim bei Avranches. Die 102-Jährige liegt in ihrem Bett und wartet. Als ich ins Zimmer komme, lächelt sie mir zu. Sie erkennt mich, es ist mein dritter Besuch im Rahmen meines Dienstes als Krankenhausseelsorger. Einmal erzählte sie, dass sie neun Geschwister hatte und im Département Calvados den Zweiten Weltkrieg intensiv erlebte. Nach einem langen Leben mit Höhen und Tiefen, Freude und Leid, möchte sie nun, wie sie sich ausdrückt, „nach Hause“. Bei jedem Treffen erwähnt sie: „Ich möchte endlich gehen, ich habe genug von hier.“ Vorsichtig frage ich nach, wie es mit ihrem Glauben an Jesus steht. Sie bestätigt mit Nachdruck, dass sie immer schon gläubig war. Sie sei zwar nicht regelmäßig zur Messe gegangen, hätte aber stets treu im katholischen Gebetsbuch gelesen. – Als wir das letzte Mal im Gespräch waren, fragte ich nach einiger Zeit, ob ich ihr den 139. Psalm vorlesen dürfte. Während des Lesens flossen die Tränen bei ihr, und sie nickte als Bestätigung der Verse. Dann sagte sie plötzlich: „Ich hoffe, dass ich in den Himmel komme.“ Ich fragte: „Haben Sie keine Gewissheit?“ Sie verneinte. Ich erklärte ihr, was Jesus für sie getan hat. Die alte Dame wurde ruhiger, nachdenklich und auch müde. So verabschiedete ich mich nach einem kurzen Gebet mit ihr und für sie und einem gemeinsamen Vaterunser. Nachdenklich und gleichzeitig dankbar verließ ich ihr Zimmer. Allein Gottes Geist kann in solch einer Situation Gewissheit geben und es schenken, dass sich ein Mensch an Jesus klammert. Gott die Meinung sagen? Ganz anders reagierte eine 94-Jährige, die ich bis kurz vor ihrem Tod begleitete. Sie äußerte sich mit einer gewissen Gleichgültigkeit, die mit Unsicherheit gemischt war: „Wir alle müssen eines Tages sowieso in den Tod gehen. Ob auf der anderen Seite wirklich etwas ist, kann man nicht wissen.“ Sie war verbittert, weil ihre Kinder sie im Altenheim einquartiert hatten. Als ich in einem Gespräch Gott erwähnte, meinte sie nur: „Dem werde ich dann meine Meinung sagen.“ Der Himmel: für die 102-Jährige der ersehnte Ort, für die 94-Jährige eine unwirkliche Einbildung. Hier in der Normandie braucht es viele Gespräche und Klärung anhand der Bibel, um den Menschen die Wahrheit von Gottes Wort nahezubringen. Ich rege das Gespräch in der Regel damit an, dass ich Hebräer 9,27–28 zitiere: „Jeder Mensch muss einmal sterben und kommt danach vor Gottes Gericht. So ist auch Christus ein einziges Mal gestorben, um alle Menschen von ihren Sünden zu erlösen.“ Und dann kann ich auch die Perspektive nach dem Tod aufzeigen, die Gotteskinder haben. Peter Rapp l Peter und Sigrun Rapp leben seit 1991 in der normandie. nach dem sprachstudium gründeten sie die gemeinden in alençon und mortagneau-perche. seit 2012 arbeiten sie im gemeindebau in avranches. vier ihrer fünf söhne sind erwachsen. peter hat vor dem studium am theologischen seminar der Liebenzeller mission eine ausbildung bei der polizei gemacht, sigrun war im gehobenen verwaltungsdienst. rundbriefe erwünscht? www.liebenzell.org/rapp In den himmel wollen die meisten Zumindest viele einwohner der Normandie, mit denen ich über himmel und hölle spreche. Fragt man nach ihren vorstellungen, trifft man auf unterschiedlichste ansichten. der himmel ist die Wohnstätte gottes. die hölle: existiert sie überhaupt – oder ist das pure angstmacherei? Ist die einzige Furcht der Normannen, dass ihnen der himmel auf den kopf fällt?1 Unweit von Avranches liegt das Weltkulturerbe Mont St. Michel foto: peter rapp 1 in den geschichten der gallier asterix und obelix gibt es den dorfhäuptling majestix, der ständig davor angst hat, dass ihm der himmel auf den Kopf fallen könnte. diese befürchtung geht zurück auf vorstellungen der französischen Kelten.

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