MISSION weltweit – Ausgaben 2023

20 Prof. Dr. Roland Deines (Jahrgang 1961) ist seit September 2017 Professor für Biblische Theologie und Antikes Judentum und seit 2022 auch Prorektor an der Internationalen Hochschule Liebenzell (IHL). Er ist stellvertretender Vorsitzender des Arbeitskreises für evangelikale Theologie und leitet die Doktorandenarbeit des Tübinger Albrecht-Bengel-Hauses. Zuvor war er an den Universitäten Tübingen, Jena, Beer-Sheva und Nottingham tätig. Er ist seit 1985 verheiratet mit Renate und Vater eines erwachsenen Sohnes. weiterdenken >> sonderbeitrag zum thema von roland deines Auferstehung auch für die noch aussteht, die schon jetzt „daheim beim Herrn“ sind (2. Korinther 5,8). Ganz ähnlich redet Jesus im Johannesevangelium davon, dass die Glaubenden den Übergang „aus dem Tod heraus hinein in das Leben“ bereits vollzogen haben (Johannes 5,24). Sie werden am Tag der Auferstehung seine Stimme hören (5,25) und diese Stimme kennen, weil es die ihres guten Hirten ist (10,3.27–28). Paulus vertraut darauf, dass für ihn der Siegeskranz schon bereitliegt (2. Timotheus 4,8), den er von Jesus als einem „gerechten Richter“ empfangen wird. Dieser selige Zustand ist die Folge von Jesu Leiden und Sterben. Er hat damit, wenn man so will, einen Vorhof zum Himmel eröffnet, den die Glaubenden schon jetzt bevölkern und sich von da aus auf die Vollendung freuen können. Der Grund der Hoffnung ist, dass die Beziehung zu Jesus durch den Tod nicht zerstört werden kann. Der Heilige Geist, der den Gläubigen mit seinem Herrn verbindet, ist der Garant dafür, dass diese Beziehung auch im Tod bestehen bleibt. Die Hölle ist noch nicht geöffnet Von dem Warteraum derer, die sich nicht auf die Begegnung mit ihrem Herrn freuen können, lesen wir viel weniger. Die einzige echte Schilderung ist das Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus. Auch da ist es nur ein Vers (Lukas 16,24): Der Reiche bittet „Vater Abraham“, dass er Lazarus senden solle, um seine Lippen mit Wasser zu kühlen, „denn ich leide in dieser Flamme“. Gleichnisse erzählen Geschichten, um etwas zu verdeutlichen, aber sie bilden nicht einfach die Realität ab. Darum darf man in die Details nicht zu viel hineinlesen. Deutlich ist, dass es einen Unterschied gibt: Der Reiche, der weder nach seinem Nächsten noch nach Gott gefragt hat, ist im Totenreich ohne Hilfe und ohne Beziehung. Das Feuer, das biblisch regelmäßig bei Gerichtsaussagen begegnet, bedeutet – ähnlich wie der Wurm, der aber nur in Jesaja 66,24 und Markus 9,48 vorkommt – eine Art Bloßlegung: Wie die Würmer das Skelett des Verstorbenen freilegen und allen äußeren Schein und Prunk wegfressen, so verbrennt in diesem Feuer alles, was nur Schein war (vgl. 1. Korinther 3,12–15). Wenn wir bei dem reichen Mann aus der Lazarus-Geschichte bleiben, dann kommt es zu einer Art Selbsterkenntnis (er begreift nun, was für ein Narr er war), in der alle Selbstgefälligkeit, Selbstgewissheit und Selbstgerechtigkeit zerbrechen. Wo die Gerechten Ruhe haben, weil sie von der Beziehung zu ihrem Herrn getragen und gehalten sind, da sind die anderen geplagt von Ruhelosigkeit und Schmerz über das Versäumte, das nicht mehr zu ändern ist. Sie dürfen keiner „fröhlichen Auferstehung“ entgegensehen, wie es denen gewährt ist, die „im Herrn entschlafen sind“ (vgl. Grabstein in der Dresdener Frauenkirche). Aber: Es gibt keine einzige Stelle, wo etwas davon gesagt wäre, dass sie von Teufeln oder Dämonen gequält würden. Im Gegenteil: Die einzigen Bewohner einer Art Hölle, die ausdrücklich in der Bibel als solche genannt werden, sind „die Engel, die gesündigt haben“. Aber selbst über diese, die schon mit „dunklen Ketten“ im Tartarus festgehalten werden (das ist im Neuen Testament das einzige Vorkommen von Tartarus, dem Namen für den tiefsten Abgrund in der griechischen Totenwelt, bestimmt für die allerbösesten Frevler), werden dort aufbe- wahrt „zum Gericht“ (2. Petrus 2,4). Der Teufel ist nicht der Herrscher über die Totenwelt oder gar über die Hölle, wo er nach Lust und Laune die Menschen quälen darf. Das sind Gruselgeschichten, die nichts mit der Bibel zu tun haben. „Denn Gott ist ein Gott der Lebenden und der Verstorbenen“, und von Jesus ist gesagt, dass er dazu „gestorben und wieder lebendig geworden ist, dass er über Tote und Lebende Herr sei“ (Römer 14,9). Das bedeutet: Auch das Totenreich untersteht seiner Macht. Und Gottes Macht ist nie ohne seine Gerechtigkeit, Güte und Liebe. Der Seher Johannes beginnt die Schilderung der sieben letzten Plagen im 15. Kapitel der Offenbarung mit einem Prolog in der himmlischen Welt, in der die Überwinder Gott preisen für sein Gericht: „Gerecht und wahrhaftig sind deine Wege, o König der Völker. Wer, Herr, sollte dich nicht fürchten, und verherrlichen deinen Namen?“ (Offenbarung 15,3–4, s. außerdem 16,5–7). Dass also Gottes Gericht gerecht ist, das wird am Ende von allen anerkannt (Philipper 2,10–11; Offenbarung 15,3). Im Himmel und in der Hölle, im Paradies und im Feuersee. Die einen singen das „Lied des Lammes“, die anderen pressen die Zähne zusammen, weil sie in dieses Loblied nicht einstimmen wollen. Wie soll man im Himmel selig sein, wenn andere in der Hölle sind? Weil der Richter der Retter ist, der alles tun wird, um etwas zu finden, damit er den Schuldigen freisprechen kann (das ist die frohe Botschaft in dem so oft missbrauchten Text Matthäus 25,31– 46). Es ist Jesus, der über Himmel und Hölle entscheidet. Daraus erwächst die Zuversicht, dass wir es ertragen können, wenn andere in der Finsternis sind, während wir selbst im Licht singen. Wir ertragen es, weil es auch Gott selbst erträgt, dessen Liebe zu den Menschen die unsere unendlich weit übersteigt. Gottes Liebe ist so groß, dass sie auch den, der ihn und seine Vergebung ablehnt, nicht zur Umkehr zwingt. l foto: roland deines Grabstein aus dem 17. Jh. in der Dresdener Frauenkirche: „Allhier ruhet in Gott und erwarttet eine fröliche Auferstehung zum ewigen Leben …“ Wo die Gerechten Ruhe haben, weil sie von der Beziehung zu ihrem Herrn getragen und gehalten sind, da sind die anderen geplagt von Ruhelosigkeit und Schmerz über das Versäumte, das nicht mehr zu ändern ist.

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