9 sambia darum gehts mission weltweit 11–12/2023 Beim Argumentieren in solchen Diskussionen mangelt es nicht an einschlägigen Bibelstellen zum Thema. Wir alle wissen, dass Gott unsere Schuld vergibt, und bitten im Vaterunser, dass er sie vergeben soll, „so wie wir unseren Schuldigern“ (Matthäus 6,12). Das ist schnell gesagt. Es im wirklichen Leben umzusetzen, ist etwas komplett anderes, wie wir dann feststellen. Und trotzdem: Wenn wir, wenn ich befreit und ohne Last leben will, komme ich nicht daran vorbei, meinen Groll und meine Verletzungen loszulassen. Vergeben ist nicht gutheißen Martin Luther King jr. hat zum Thema Vergebung einmal gesagt: „Vergeben heißt nicht, dass man das Vergangene gutheißt. Vergeben heißt, dass man bereit ist, das eigene Herz von der Last des Grolls zu befreien.“ In diesem Zitat wird deutlich, dass ich die Bereitschaft mitbringen muss, mein Herz von der Last zu befreien. Ich muss also eine Entscheidung treffen und dann aufgrund meiner Entscheidung handeln. In meinem konkreten Fall hat das bedeutet, dass ich Gott darum bat, mir zu helfen, dass ich der Person, die mich verletzt hat, vergeben kann und damit meinen Ärger loslasse. Das hat nicht gleich auf Anhieb funktioniert. Meine Wut über das verletzende Verhalten war nicht einfach weg und damit Vergangenheit. Selbst jetzt beim Schreiben des Artikels kommen ungute Gedanken in mir auf. Aber ich kann diese zu Gott bringen, immer wieder neu, und erlebe dann, dass sie mich nicht länger in meinem Alltag stören. Um wen geht es beim Vergeben? Durch dieses Erlebnis habe ich festgestellt, dass es beim Vergeben ganz viel um mich und nicht Foto: elke weissschuh Die Studierenden der EU wohnen auf dem Gelände und pflanzen ihr eigenes Gemüse an Dozenten und eine Mitarbeiterin der EU im Studienjahr 2023, links Reinhard Frey (mittlerweile im Ruhestand) FUNDSTÜCK „Ein Mensch ruht dann in der Vergebung der Sünde, wenn der Gedanke an Gott ihn nicht an die Sünde erinnert, sondern daran, dass sie vergeben ist.“ Sören Kierkegaard um die andere Person geht. Gott gibt mir die Möglichkeit, mich an ihn zu wenden, meine Last bei ihm abzugeben, um dann befreit weiterzugehen. Nelson Mandela hat es so ausgedrückt: „Vergeben bedeutet, dass du den Raum verlässt, den Hass und die Bitterkeit in deinem Herzen eingenommen haben.“ Wenn ich Vergebung praktiziere, darf ich aus meinem Gefängnis des Grolls, der Verletzungen und der Bitterkeit in einen neuen Raum gehen. Ich kann die Tür hinter mir zu machen und Neues wagen. Wann und wie ich mit der Person, die mich verletzt hat, wieder reden werde, weiß ich nicht. Noch herrscht Funkstille. Aber in mir hat der Prozess des Loslassens und Weitergehens begonnen. Dieser Weg wird stellenweise auch einen Schritt zurückführen, aber die grundsätzliche Richtung steht fest. Und dafür bin ich Gott dankbar. Margit Schwemmle l Foto: margit schwemmle
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